Einerseits schmeißen wir Country und Western gerne mal in einen gemeinsamen Topf, sind vielfach sogar der Meinung, die beiden Begriffe stünden für dasselbe musikalische Genre, die Bedeutung sei identisch. Aber so ganz sicher sind wir uns nicht. Verbleibt die Frage, ob es einen wirklich konkreten Unterschied zwischen Country und Western gibt, und falls ja, welcher das ist. Hier ein Klärungsversuch:
Check it: Wo der Unterschied zwischen Country und Western liegt
Unterschied zwischen Country und Western – gibt es den?
Selbstverständlich ist die US-amerikanische Musikszene gigantisch; Megastars aus Rock, Pop, Soul und Blues bis hin zum Hip-Hop und Rap beherrschen die weltweiten Charts. Tatsächlich aber gibt es auch dort eine riesige Musikszene, die sich mit traditioneller Musik beschäftigt, mit solcher deren Wurzeln bis in die Pionierzeiten zurückreichen. Tatsächlich ist der oftmals vereinheitlichende Begriff Country & Western, komplett irreführend. Denn er suggeriert, es handele sich um ein einheitliches Genre. Dabei pochen die Künstler und Fans beider Bereiche vehement auf die deutlichen Unterschiede der Musikbereiche.
Regionale Wurzeln ausschlaggebend
Hervor ging Country-Music aus traditionellen Elementen der Volksmusik der Zuwanderervölker anfangs des 20. Jahrhunderts. Historisch gesehen ist die USA das größten Einwanderungsland schlechthin. Einwanderer und Kolonialisten aus den unterschiedlichsten, zumeist europäischen Ländern wie die Iren, Engländer Spanier, Portugiesen und letztlich die versklavten Zwangsarbeiter aus Afrika haben im Laufe der Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen.
Damit ist allerdings die Frage nach dem Unterschied zwischen Country und Western noch nicht ansatzweise beantwortet. Machen wir uns weiter auf die Goldgräbersuche nach dem musikalischen Erkennungsmerkmalen. Tatsächlich wurde der amerikanische Kontinent nicht lediglich besiedelt, vielmehr wurde er erobert; so auch musikalisch, ausgehend von der Old-Time-Music. Und über den Zeitstrahl der Jahrzehnte entwickelten sich diverse Country-Sub-Genres, zu denen eben auch Western zählte.
Western Music als Volksmusik westlich des Mississippi
Western Music darf im weitesten Sinn als die westlich des Mississippi entstandene Volksmusik verstanden werden, die sich auf das Leben der Cowboys, Goldsucher, Bergleute, Holzfäller, Pelzjäger und weiteren bis hin zu den Siedlern bezog. Die Western Music entwickelte sich in den eben westlich gelegenen Bundesstaaten wie Kalifornien, Texas und Oklahoma. Es war die Story der Eroberung des Wilden Westens im 19. Jahrhundert. Die Westernmusik wurde zunächst als die Musik der amerikanischen Cowboys verstanden. Dabei gab es zunächst die echten Cowboys, später dann die sogenannten Singing Cowboys, die das Image für sich adaptierten und daraufhin die Radiostationen und Kinos eroberten. Ihren Höhepunkt hatte die Western Music während der 1930er und 1940er Jahre.
Rosarote Brille der traditionellen Westernmusik
Bei der traditionellen Westernmusik geht es inhaltlich – oftmals verklärend und mit der emotional rosaroten Brille – um das Leben der Cowboys und der Eroberung des amerikanischen Westens von den Anfängen bis in die Zeit der großen Viehtriebe zurück. Ein typisches Merkmal für die Country-Musik im Allgemeinen hingegen sind Texte, die sich mit den amerikanischen Lebensverhältnissen in sämtlichen Facetten inklusive Sehnsucht, Wehmut, dem American Way of Life und vielem mehr. Ein Unterschied zwischen Country und Western hinsichtlich der Texte bleibt dabei allerdings recht theoretisch. Schließlich bedeutet ein Text über das Leben der Cowboys nicht zwangsläufig, dass es sich automatisch und unabdingbar um Western handelt.
Zwar nicht dasselbe, aber das Gleiche
Klar wird damit ein Kuriosum, nämlich die Tatsache, dass es sich bei Western-Music überbegrifflich zwar um Country handelt, bei Country aber nicht automatisch um Western. Nur weil man sich einen Cowboyhut aufsetzt, spielte man noch lange nicht Western. Verstehen lässt sich das mit einem simplen Blick auf die deutsche Volksmusik: Die süddeutsche Alpenlieder mit den typischen Jodelelementen als auch die Shantys des Nordens gehören zur Volksmusik, nur klingen solche Stilrichtungen nun mal vollkommen unterschiedlich und werden auch mit ebenso unterschiedlichen Instrumenten besetzt. Der Oberbegriff bleibt Volksmusik: Country.
Country im Wandel der Zeiten
Umso schwieriger wird eine klare Abgrenzung, zumal Musik immer auch einem Wandel unterliegt. Als Resultat bilden sich Sub-Genres als auch Verschmelzungen, wodurch die konkrete Zuordnung bisweilen kaum noch möglich und auf der anderen Seite vermutlich auch nahezu sinnlos ist. Auch innerhalb der Country-Music gibt es zahlreiche Abgrenzungen. So etwa zwischen dem traditionellen und dem sogenannten zeitgenössischen Country. Während beim traditionellen Country vornehmlich Saiteninstrumente wie Gitarre, Banjo, Mandoline und Fiddle, teils auch Akkordeon, Klavier und Mundharmonika zum Einsatz kommen, gesellen sich im modernen Country als typische Instrumenten das Schlagzeug, die E-Gitarre und logischerweise auch der E-Bass hinzu.
Hauptstilrichtungen und Modeströmungen des Country
Wenn es einem schwerfällt, den Unterschied zwischen Country und Western mit knappen, präzisen Worten zu definieren, liegt das schlichtweg an der unglaublichen Vielfalt und den zahlreichen Einflüssen. Besonders deutlich wird die Tatsache, dass es sich bei Country-Musik um einen Oberbegriff handelt, mit einem Blick auf die Stilrichtungen, die diesem Genre zugeordnet werden. Selbst die kann man an zwei Händen nicht mehr abzählen. Schauen wir uns gemeinsam ein paar davon an.
Bluegrass – der rasende Zweiviertel-Takt
Prägend für den Bluegrass ist die Besetzung mit akustischen Instrumenten, beispielsweise Fiddle, Banjo, Mandoline, Kontrabass und Westerngitarre. Gespielt werden die Songs in der Regel im 2/4-Takt, wobei die Musiker echt was auf der Pfanne haben und teils rasante Passagen und Stücke hinlegen. Der Bluegrass hat seine Wurzeln in den Appalachen im Südosten der USA mit Kentucky als bedeutendem Zentrum. Im Bluegrass sind die traditionell stilbildenden Elemente des Country unmittelbar vorhanden. Er gilt als die Musik der Berge, wobei das mit deutschsprachigen Alpenregionen herzlich wenig zu tun hat. Nicht nur in den USA ist diese Stilrichtung des Country nach wie vor kommerziell erfolgreich und nicht minder populär.
Honky Tonk – entsprungen aus den Ölfeldern
In Texas sprudelten die Ölquellen und mit ihnen die Arbeit auf den Ölfeldern. An jeder Ecke gab es Clubs, Kneipen und Bars. Dort war durchaus feierfreudiger Lautstärke reichlich was los. Selbstverständlich gehörte die Country Musik dazu, die sich allerdings auch hörbar durchsetzen musste. Also wurde die Instrumente verstärkt. Den folkloristischen Charakter hatten die Songs in der Honky-Tonk-Ära verloren. Die Themen waren nicht mehr heimatverbunden, stattdessen erzählten die Texte ungekünstelt von Alltagsproblemen. Leicht vorstellbar ist es, dass die Stimmung ziemlich rau war, also nicht die der Instrumente, sondern der Arbeiter, die sich nach Feierabend – so denn noch Kraft vorhanden war – in den Kneipen vergnügten. Es war nichts Geringeres als die Stimmungsmusik der Südstaaten, gewissermaßen Malle in Bars um die Ölquellen.
Nashville Sound als Antwort auf den Rock’n‘Roll
Der Rock’n’Roll erwachte ab etwa Mitte der 1950er Jahre. Im Umkehrschluss geriet Country mächtig unter Druck, verlor an Boden und musste sich etwas einfallen lassen. Selbstverständlich wollte man sich die Publikumsgunst weiterhin sichern, aber die schmolz beträchtlich. Hörerkompatibel wurde Country mit dem sogenannten Nashville Sound, bei dem die bis dato weitestgehend ungeschliffene Musik geglättet und deutlicher kommerzialisiert wurde. Der Sound wurde weicher, Background-Chöre bereicherten das Klangbild, klassische Country-Instrumente wurden allenfalls selten eingesetzt. Es war die Zeit des Country-Pop, mit Stars wie Dolly Parton oder Kenny Rogers.
Ein Genre, das sich immer weiterentwickelt
Wie alle anderen Genres entwickelt Country sich immer weiter, wobei Westernmusik hingegen eher traditionell verhaftet bleibt. Gefühlt hat jeder seine eigene Vorstellung davon, was Country ist und was nicht, welche Stilmittel verwendet werden und welche Instrumente zum Einsatz kommen. Von den Zeiten der amerikanischen Einwanderer und Trecks bis zum heutigen Soft-Country und Country-Rock hat diese Musik derart viele Facetten gezeigt wie kaum ein anderes Genre. Der Unterschied zwischen Country und Western ist im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte immer weiter aufgeweicht worden, zumal man sich teils selbst nicht wirklich sicher war, worin der überhaupt besteht.
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Mega! Toll, endlich wird mal klar erzählt, was die Unterschiede sind. Toll gemacht!
Danke, gut beschrieben! Aber das ist ja das Schöne an Musik, die so viele Facetten hat, die man zum Glück nicht in einen engen Rahmen pressen kann, weil sie sich mit jeder Stilrichtung verbinden. Immer wieder spannend, was sich daraus mit Kreativität entwickelt!
Neulich in Bob’s Ciuntrybunker:
„Was für Musik haben Sie hier normalerweise, Ma’am?“
„Oh, wir haben beide Sorten: Country UND Western!“