Gain-Struktur im Mix: Was ist das und wie funktioniert das?

Wie du für optimale Pegelverhältnisse sorgst

Foto: Shutterstock von andreaciox

Wer ausreichend Zeit für den Soundcheck hat, ist per se auf der Gewinnerseite. Meistens reicht es aber nur für einen kurzen Line-Check und schon folgt der Sprung ins akustisch kalte Wasser. Umso sinnvoller und notwendiger ist es, eine geeignete Gain-Struktur im Mix zu schaffen. Aber was ist das und wie funktioniert das?

Check it: Gain-Struktur im Mix

  • Der Unterschied zwischen Gain und Volume
  • Wie du das Grundrauschen minimierst
  • Wie du Verzerrungen vermeidest
  • Weshalb der Line-Check immer zu kurz ist
  • Warum du den Mix in Gruppen organisierst

Gain-Struktur im Mix: Klären wir erstmal, was Gain überhaupt ist

Um nicht kunterbunt durch halbwissende Begrifflichkeiten zu stolpern, sollten wir uns zunächst vergegenwärtigen, was „Gain“ überhauptbedeutet. Durchaus kurios ist es nämlich, dass so ziemlich jeder elektrifizierte Musiker von E-Gitarristen bis Bassisten und mehr in irgendeiner Weise damit umgehen muss, allerdings nur die wenigsten beispielsweise den Unterschied zwischen Gain und Volume definieren können.

Gain bearbeitet das Eingangssignal, Volume das Ausgangssignal

Dabei ist die Erklärung recht einfach: Gain meint den Eingangspegel eines Signals, Volume den Ausgangspegel desselbigen. Gut nachvollziehen lässt sich das bereits anhand von Gitarrenverstärkern. Je höher der Gain aufgedreht wird, desto stärker ist das Eingangssignal, wobei man auch davon spricht, dass die Vorstufe „angefahren“ wird. Volume hingegen ist die letztlich ausgespielt Lautstärke. Gitarristen stellen über den Gain-Regler den Grad der Verzerrung ein, die je ein oftmals gewolltes und prägendes Stilmittel ist. Ausführlich haben wir das hier noch mal aufgeschrieben.

Der Bereich zwischen Sättigung und Grundrauschen

Das Äquivalent in der Tontechnik ist der Mischer, bei dem allerdings ein vollkommen anderes Prinzip gilt. Hier will man selbstverständlich verzerrte Eingangssignale unbedingt vermeiden. Dieser Logik folgend müsste das doch bedeuten, dass der Gain-Regler am besten so gering wie möglich aufgedreht wird. Na ja, theoretisch schon, doch in der Praxis sieht das anders aus, zumal es noch weitere zu beachten gibt: Je schwächer das über den Gain geregelte Eingangssignal, umso stärker muss der Volume-Fader aufgerissen werden. Resultat ist, dass das Grundrauschen stärker wird, weil das Eingangssignal nicht in die Sättigung geführt wird und viel zu dünn ist.

Zu geringe Eingangspegel ziehen hohes Grundrauschen nach sich | Grafik: Shutterstock von musikmachen.de

Mit dem Gain-Regler immer unter dem Clipping bleiben

Äußerst grob beschrieben wird der Gain-Regler auf dem jeweiligen Kanal deshalb so weit aufgerissen wie möglich, ohne dadurch – auch bei auftretendem Spitzen – den „roten Bereich“, das Clipping zu betreten. Denn exakt das würde Verzerrungen bedeuten und somit den Mix oder gar die Aufnahmen zerstören. Gefragt ist also der audiophil goldene Mittelweg. So viel wie möglich, so wenig wie nötig.

Nun haben wir im Mix aber nicht nur ein Instrument, andernfalls wäre es ja kein Mix. (Für diese Logik applaudiert das Lektorat dem Autor und kann sich einen Kommetar nicht verkneifen!) Und für die Vielzahl der Signale benötigen wir eine Gain-Struktur im Mix. Denken wir auf dem Weg zur Gain-Struktur im Mix noch eine Stufe weiter, lässt sich das ebenso pragmatisch zusammenfassen. Liefert das Pult – verstanden als Eingangssignal – zu wenig Last, muss der nicht vorhandene Eingangspegel über die nachfolgende Endstufe wieder ausgeglichen werden.

Übermäßiges Rauschen durch höhere Last vermeiden

Die Endstufe muss für mehr Verstärkung sorgen, mit dem Ergebnis, dass nun an dieser Stelle aufgrund der schlechten Gain-Struktur ein übermäßiges Rauschen entsteht. Somit ist zunächst der Unterschied zwischen Gain und Volume geklärt. Und da diese beiden Parameter immer auch in direktem Verhältnis zueinander stehen, dürfte ebenso klar sein, was unter einer Gain-Struktur im Mix zu verstehen ist. Tatsächlich aber ist diese recht allgemeingültige Zusammenfassung noch recht oberflächlich.

Organisation der Gain-Struktur beginnt weitaus früher

Denn die Gain-Struktur beginnt eigentlich weitaus früher; zudem existieren nicht nur die beiden beschriebenen Parameter. Vielmehr entstehen im Mischpult durch die zahlreichen peripheren elektronischen Bauteile, VCAs/ DCAs, Insert-Points, Mix-Busse, externe Raumeffekte und vieles mehr sich gegenseitig beeinflussende Abhängigkeiten. Und die beeinflussen sich nun mal gegenseitig, wirken sich auf Eingangs- und Ausgangspegel aus und sollten somit ebenfalls als relevante Teile der Gain-Struktur im Mix verstanden werden. Letztlich bleibt doch die Fragen: Wo, wie und wann wird der ursprüngliche Eingangspegel verändert? Wie wirkt sich das auf den Ausgangspegel aus? Und wie stellt sich das letztlich im gemischten Gesamtbild dar?

Die Menge will von Anfang an vernünftig beschallt werden | Foto: Shutterstock von Monkey Business Images

Nicht zum ersten Mal hat die EU für Verwirrung gesorgt

Natürlich wollen wir diese Überlegungen für so ziemlich sämtliche Mischpulte anwendbar und verständlich machen, also für analoge und digitale Mischer gleichermaßen. Und da müssen wir kurioserweise ein Messgröße deckungsgleich machen. Die Rede ist von Pegel, der in Dezibel (dB) gemessen bzw. angegeben wird. Ebendiese Pegelanzeigen sind bei analogen und digitalen eben nicht identisch. Irre – identischen Zahlen sollen unterschiedlich sein?

Referenzgröße bei dBu und dBFS ist unterschiedlich

Tatsächlich geht es um die Pegel-Anzeige. Irgendwie passt das alles nicht mehr zusammen. Die Erklärung: Was nicht stimmt oder zumindest voneinander abweicht, sind die Bezugspunkte. Der liegt bei analogen Mischpulten üblicherweise bei 0 dBu, bei den digitalen Vertretern hingegen liegt der Bezugspunkt bei -18 dBFS, was wiederum dem aktuellen Standard der Europäischen Rundfunkunion. Das wird an unserer Gain-Struktur letztlich herzlich wenig ändern. Wissen sollte man es trotzdem, um gegebenenfalls entsprechend umrechnen zu können.

Und los geht’s mit dem Einpegeln der Kanäle

Okay, wir gehen also davon aus, dass die Gain-Struktur im Mix durchaus etwas anspruchsvoller als üblich betrachtet werden will. Es folgt nun der üblich bekannte Vorgang beim Einpegeln. Der jeweilige Kanal wird gemutet; die PFL- bzw. Solo-Taste wird gedrückt, der Gain Regler wird gedreht, bis die Anzeige die besagten 0 dBU oder -18 dBFS anzeigt. Die Fleißarbeit darf beginnen, indem ein Kanal nach dem anderen eingestellt wird. Im wahrsten Sinne des Wortes: Wir drehen durch! Und sobald wir diese Fleißarbeit erledigt haben, sollte doch alles passen. Pustekuchen. Tatsächlich klingt das Ergebnis, wie die vielzitierte Karre Mist. Die Gain-Struktur stimmt möglichweise rein physikalisch betrachtet. Aber Physik hat mit emotionalem Klangbild bekanntlich herzlich wenig zu tun. Und die musikalische Gain-Struktur im Mix stimmt nicht ansatzweise.

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Der Sprung ins akustisch kalte Wasser nach dem Line-Check

Musik lebt von Dynamik, von unterschiedlichen Lautstärkeverhältnissen und von dramaturgisch aufeinander abgestimmten Pegeln der jeweiligen Instrumenten und des Gesangs. Theoretisch – und das ist ja auch die häufige Praxis – werden diese Verhältnisse über die Lautstärke-Fader festgelegt. Diese Herangehensweise kann aber leicht an ihre Grenzen kommen, nämlich spätestens dann, wenn nicht ausreichend Zeit für einen wirklichen Soundcheck zur Verfügung steht. Und wer hat die schon? Gewissermaßen notgedrungen üblich ist es, den kurzen Line-Check durchzuführen und unmittelbar danach ins akustisch kalte Wasser zu springen. Da kann man nur hoffen, dass der Techniker am Pult ausreichend Routine mitbringt, um das Lautstärken- und Frequenzrätsel innerhalb von wenigen Sekunden beurteilen und lösen zu können.

Mit weniger Vollgas wird’s ein wenig verträglicher

Eine andere Variante, die uns dem erwünschten Ergebnis zumindest smoother entgegenbringen könnte: Die Einstellungen aus dem oberflächlichen Line-Check nehmen und erst mal insgesamt deutlich leiser anfangen. Die Ohren des Publikums sind zu diesem Zeitpunkt ohnehin frisch und wollen noch nicht malträtiert werden. Das heißt, ganz so laut muss es noch nicht sein. Auf der anderen Seite können „die da unten“ auch soweit intakt, dass Unstimmigkeiten im Mix wahrgenommen und als störend empfunden werden. Tatsächlich aber ist auch dies akustisch betrachtet noch keine stimmige Gain-Struktur im Mix. Nur steht dir somit etwas mehr Zeit zur Verfügung, innerhalb des akustischen Fallschirmsprungs eine Gain-Struktur zu entwickeln.

In der Vorbereitung liegt die eigentliche Lösung

Und wenn wir nun also zum zweiten Mal hören, dass die fehlende Zeit der evolutionär größte Feind des FoH-Technikers ist, liegt der Schluss verdammt nahe, bestmöglich vorbereitet zu sein. Exakt hier liegt auch der Schlüssel zum Glück, wenn die richtige und praktisch anwendbare Gain-Struktur im Mix schaffen wollen. Das gordische Knoten der Akustik lässt sich lösen, in dem wir mit Gruppen arbeiten, was bei analogen als auch digitalen Mischern über die VCAs/DCAs möglich ist.

Über die VCAs/DCAs werden Signale zu Lautstärkegruppen zusammengefasst | Foto: Shutterstock von Paulus van Dorsten

Raum schaffen durch Gruppenbildung

Der Lead-Gesang, die Snare und die Kick-Drum werden gesondert behandelt, können auch als jeweils einzelne Gruppe abgespeichert werden. Die Instrumentengruppen mit einheitlichen Hallräumen wie Gitarre und Keyboard werden zusammengefasst und für die Gain-Struktur im Mix auf minus 5 dB eingepegelt. Bei weiteren Instrumenten gehst du nach demselben Prinzip vorher, und fährst sie ebenfalls auf minus 5 dB, so etwa die Brass-Sektion oder wer auch immer sich sinnvoll kombinieren lassen könnte.

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Und nun kommt der eigentliche Trick für die Gain-Struktur im Mix: Der Master befand sich beim Line-Check auf 0 dB. Jetzt aber – zum Start des Sets – wird er auf – 5 dB gerastet, während der Lead-Gesang und gegebenenfalls die Snare und die Bass-Drum bei 0 dB bleiben. Im Ergebnis verhinderst du den üblichen Gau, dass der Gesang bereits beim ersten Song gnadenlos untergeht und gewollt präsent bleibt.

Damit der erste Eindruck nicht den Bach runtergeht

Weshalb das so wichtig ist für die Gain-Struktur im Mix? Nun, bei einem Konzert ist es doch wie überall im Leben: Der erste Eindruck ist der wichtigste. Wenn der versemmelt wird, muss der Auftritt bis zum glorreichen Finale schon verdammt gut sein, um den zunächst negativen Eindruck wieder wettzumachen. Klar ist, dass über die VCA/DCA-Gruppe – die Voltage Controlled Amplifier bzw. Digitally Controlled Amplifier außer der gleichzeitigen Lautstärkeveränderung mehrerer Signale gleichzeitig keine weitere Signalbearbeitung möglich ist. Die aber kannst du nun komfortabel und nahezu unbemerkt über die Subgruppen machen, zumal du die Instrumente, die du über VCA/DCA zusammenfasst natürlich zuvor auch in entsprechende Subgruppen geordnet hast; zumindest, soweit da Pult das zulässt.

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