Klarinette: Unterschiede Böhm- und deutsche Griffweise

Welche Griffweise: Böhm- oder deutsche

Foto: Shutterstock von Kulinenko.G

Die erste Frage, die angehende Klarinettisten sich stellen müssen, lautet: Für welches System entscheide ich mich? Umso kurioser; da du ja noch ganz am Anfang stehst. Welche Gründe es dafür gibt und welche Unterschiede Böhm- und deutsche Griffweise haben, erfährst du in diesem Artikel.

Check it: Unterschiede Böhm- und deutsche Griffweise

  • Was ist überhaupt ein Griffsystem auf der Klarinette?
  • Böhm- und Oehler-Klarinette klingen unterschiedlich
  • Der Name Böhm-Klarinette ist unzutreffend
  • Theobald Böhm wusste, wo er bohren musste
  • Wie die Systeme sich in der Spielweise unterscheiden
  • Wieso die deutsche Griffweise bis heute nicht abgeschlossen ist

Böhm- und deutsche Griffweise: Was ist ein Griffsystem?

Als Griffsystem wird die Art und Weise bezeichnet, mit der ein Spieler – in diesem Fall der Klarinettist – mit seinen Fingern unter Einbeziehung der integrierten Klappen die auf dem Instrument spielbaren Töne erzeugt. Unterschiede, die sich auf Böhm- oder deutsche Griffweise beziehen, gibt es, zumal eine Klarinette unterschiedliche Klappen- und somit Griffsysteme haben kann, die auch in unmittelbarer Korrelation mit den Innenbohrungen stehen, wodurch auch ein spezieller Klangcharakter entsteht.

Unterschiede Böhm- und deutsche Griffweise: Identifizierbarer Klang

Während sich die Böhm-Klarinette durch ihren hellen und klaren Klangcharakter mit reichlich Obertonspektrum auszeichnet, klingt die deutsche Klarinette eher warm und dunkel, zwar kräftig und durchsetzungsfähig, aber keinesfalls schrill. Besonders wahrnehmbar ist das im tieferen Tonspektrum, im nicht überblasenen Register, das aufgrund der Geschichte auch als Chalumeau-Register bezeichnet wird. Das heißt, die Bauweisen unterscheiden sich nicht nur durch abweichende Griffweise bzw. Positionierung und Ausführung der Tonlöcher und Klappen, stattdessen auch klanglich.

Die Systeme unterscheiden sich in Klang und Bespielbarkeit | Foto: Shutterstock von NeydtStock

Nach Böhm benannt, obwohl er nicht beteiligt war

Die Böhm-System wird auch als französisches System bezeichnet. Zwar wurde das Klappensystem grundlegend von dem Flötisten und Flötenbauer Theobald Böhm für die Querflöte entwickelt. Übertragen wurde das Griffsystem mitsamt Ringklappen von dem Instrumentenbauer Louis Auguste Buffet und dem Klarinettisten Hyacinthe Klosé zwischen 1839 und 1843 wenigstens teilweise auf die Klarinette. 1844 wurde die „clarinette à anneaux mobiles“ (Klarinette mit beweglichen Ringen) – auch als Böhm-Klarinette bezeichnet – patentiert, ein Modell mit 24 Tonlöchern, 17 Klappen und 6 Ringen. Das Kuriose: Das System wurde zwar nach Th. Böhm benannt, der war allerdings an der Entwicklung nicht beteiligt. Eine Hommage der besonderen Art.

Mathematische Formel für die Klarinette adaptiert

Seine Errungenschaft war es vielmehr, dass er um 1828 eine Formel zur exakten mathematischen Berechnung der Tonlochpositionen und des maximalen Durchmessers der Tonlöcher bei der Querflöte entwickelt hatte. Das Resultat waren schlussendlich nach akustischen Prinzipien neu berechnete Tonlochpositionen, die nun geradezu zwangsläufig eine erweiterte Klappenmechanik notwendig machten. Die Löcher waren schlichtweg zu weit voneinander entfernt.

Böhms Berechnungen hatten unschätzbaren Wert für den Klarinettenbau | Foto: Wikipedia von Franz Hanfstaengl

Unschätzbarer Wert für den Holzblasinstrumentenbau

Obschon Th. Böhm sich zunächst aufgrund des hohen Aufwands scheute, das Griffsystem zu reformieren und neu zu konstruieren, kann das Ergebnis seiner mühevollen und nicht minder revolutionären Arbeit kaum überschätzt werden. Immerhin entstanden daraus die für den gesamten Holzblasinstrumentenbau wegweisenden Ringklappen. Mithilfe der Ringklappenmechanik wurde es den Spielern möglich, außerhalb der üblichen Fingerreichweite liegende Tonlöcher zu schließen.

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Übernommen wurde lediglich das Klappensystem

Und eben dieses Prinzip wurde von Klosé und Buffet später auf die Klarinette übertragen. Allerdings nicht komplett, zumal die beiden sich nur für den Mechanismus der Ringklappen und eben nicht für die mathematisch stimmige akustische Unterteilung der Klarinette mitsamt der Positionierung der Grifflöcher interessierten. Was aber durchaus durch zusätzliche Veränderungen verbessert wurde, waren spezielle Griffkombinationen. So beispielsweise im Bereich der schwer spielbaren und bis dahin häufig auch mangelhaft Gabelgriffe. Deren Anzahl konnte mit dem Klappensystem maßgeblich reduziert werden.

Durch Klappenkopplung Töne mit verschiedenen Griffen spielbar

Einher ging damit die positive Veränderung, dass per Klappenkopplung mehrere Töne mit verschiedenen Griffen spielbar wurden. Gleichwohl wurde dadurch eine optimierte Intonation erreicht. Dabei beschränkten die Instrumentenmacher sich nicht auf das Vorbild nach Th. Böhm. Vielmehr griffen sich auch auf die Klappenpolsterung als Blaupause der Instrumente von Müller zurück. Die Kombination aus spieltechnischer Vereinfachung und klanglicher Optimierung, war der Grundstein für den weltweiten Siegeszug der Böhm-Klarinette.

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Böhm-Klarinetten einfacher und schneller spielbar

Der besondere Vorteil der Böhm-Klarinette war und ist es, dass sich erstens für einzelne Töne nun mehrere Möglichkeiten ergeben und zweitens dadurch das allgemein als lästig empfundene und spieltechnisch nicht minder komplizierte Hin- und Her-Rutschen von einer Klappe zur anderen vermeidbar ist. Ganz pragmatisch bedeutet das Vorzüge bei der manuell umsetzbaren Geschwindigkeit.

Plötzlich ließen sich rasante Passagen spielen, die bis dahin auch von versierten Instrumentalisten unspielbar waren. Ebenso ergeben sich markante Vorteile bei gebundenen Tönen. Tatsächlich war das System von Buffet und Klose – basierend auf der Böhm-Flöte – von Anfang an geschlossen und stimmig. Mit der Folge, dass bis in unsere heutige Zeit daran allenfalls marginale Veränderungen vorgenommen wurden.

Oehler-Klarinette mit deutschem System besonders klangschön

Erst zu Ende des 19. Jahrhunderts baute ein gewisser Oskar Oehler eine Klarinette mit 22 Klappen, wobei er auf eine Entwicklung aus dem Jahr 1812 zurückgriff und den Fokus ganz klar auf den edlen Klang legte. Zu den Besonderheiten gehörte – und gehört – die hohe Anzahl der Korrekturklappen, die allerdings auch dafür verantwortlich waren, dass das Oehler-System technisch schwerer zu greifen ist. Nach diversen weiteren, teils parallel verlaufenden Entwicklungsstufen etablierte sich das Oehler-System insbesondere im deutschsprachigen Raum und wurde in der Folge auch als deutsches System bezeichnet.

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Jede Menge Klappen und Korrekturklappen

Die speziellen Merkmale dieses Instrumentes sind in der Regel 22 Klappen, fünf Brillenringe, ein Griffdeckel, Gabel-b’’-Mechanik, Oktavverbindung auf der Rückseite des Oberstücks, e’’’-Verbesserung am zweiten Brillenring, an- und abstellbare h’-cis’’-Triller-Mechanik, es’’-, f ’’-, gis’’-Heber sowie die Gabel-f ’’-Mechanik. Bis in die heutigen Tage ist es so, dass Klarinetten mit deutscher Griffweise in Deutschland und Österreich häufiger verwendet werden, sich demgegenüber Klarinetten mit französischer Griffweise international durchgesetzt haben.

Das Oehler-System ist weitaus komplexer, aber vermeintlich klangschöner | Foto: Wikipedia von Leitner+Kraus 320.jpg

Eine Entscheidung, für die man noch gar nicht reif sein kann

Das spiegelt sich übrigens auch in den Musikschulen. In der Regel sind die hiesigen Klarinettenlehrer eher mit dem deutschen System vertraut. Daraus resultiert übrigens auch eine Entscheidung, die man als angehender Klarinettist fällen muss, obschon man sich dafür noch längst nicht reif fühlt: Wer sich nämlich hauptsächlich – irgendwann möglicherweise professionell – in Deutschland tummeln will, sollte auf ein deutsches Griffsystem setzen. Wer hingegen die Bühnen der Welt erobern möchte, ist mit einem Böhm-System vermutlich besser bedient. Die deutschen und internationalen Klangideale weichen voneinander ab.

Böhm-System ist bodenständiger und pragmatischer

Zusammenfassend unterscheiden sich die Bauarten keinesfalls nur im Klang, der Bohrung, konischen Ausprägung oder den Dimensionen des Mundstückes, stattdessen eben auch in der Griffweise. Die französische Böhm-Klarinette ist gewissermaßen bodenständiger konzipiert. Das erste Erkennungsmerkmal sind die simplen Hebel für die kleinen Finger an den langen Klappen. Demgegenüber ist das deutsche System an dieser Stelle mit Rollen konzipiert.

Wesentlicher Unterschied: Anzahl der Klappen und Ringe

Zu den wesentlichen Unterschieden gehört die Anzahl der Klappen. Die Böhm-Klarinette verfügt meistens über 17 Klappen und 6 Ringe oder 18 Klappen und 6 Ringe. Die Mechanik ist so aufgebaut, dass auch schwierige Passagen mit Sondergriffen ohne zusätzliche Klappen gespielt werden können. Das System der Böhm-Klarinette ist im weitesten Sinne mit der Griffweise und Klappenart des Saxophons vergleichbar. Die Variantenvielfalt des französischen Klappensystems ist gewollt begrenzt.

Beim deutschen Griffsystem steigt die Anzahl der Klappen

Vollkommen anders verhält sich das beim deutschen System nach Oehler. Die Anzahl der Klappen steigt mit dem Können der Klarinettisten. Das heißt keinesfalls, dass mit jeder Lektion eine neue Klappe in das Instrument gebohrt wird. Ganz im Gegenteil. Zur Wahrheit gehört, dass mit fortschreitendem Können irgendwann auch ein neues Instrument hermuss. Das betrifft nicht die Grundtöne, sondern etwa zusätzliche Trillerklappen und weitere Ausstattungsdetails.

Das Oehler-System ist bis heute nicht abgeschlossen

Gespiegelt wird dadurch auch die Tatsache, dass der Klarinettenbau nach Oehler in den Werkstätten dieser Welt eben nicht als abgeschlossen verstanden wird. Vielmehr ist man kontinuierlich darum bemüht, Antworten auf die akustisch-physikalischen Besonderheiten des Instrumentes zu finden, so etwa auf das Überblasen in die Duodezime und eben nicht in die Oktave. Experimentiert wird mit diversen Parametern. Das beginnt bei der Reduktion der Intonationsproblematik, der Bohrung und der möglichst funktionalen Griffweise, reicht über die Größe der Tonlöcher und endet beim Material der Polster noch lange nicht.

Die Weltgeschichte spricht auch eine musikalisch abgrenzende Sprache

Übrigens ist die These sicherlich nicht übertrieben, dass die Verbreitung der französischen oder deutschen Klarinette auch maßgeblich durch Kriege, politische Unruhen und nationale Abgrenzungen geprägt war. So hatte sich das Böhm-System in Frankreich über die dortigen Konservatorien – insbesondere in Paris – verbreitet. Obschon die deutsche Klarinette bis dahin weitaus gebräuchlicher war.

Gegen 1923 wurde die Böhm-Klarinette beispielsweise am Prager Konservatorium eingeführt. Ebenso vollzog sich der Wechsel vom deutschen zum französischen System in den folgenden Jahrzehnten in England, Italien, den USA als auch der damaligen UDSSR. Im Gegensatz dazu gilt der Einsatz der Böhm-Klarinette in Deutschland im Bereich der ernsten Musik noch immer als verpönt. Schon merkwürdig, wie Politik sich auch musikalisch auswirkt.

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