Warum hat eine Gitarre 6 Saiten?

Auf Spurensuche nach dem Grund für das halbe Dutzend Saiten

| Foto: Shutterstock von slonme

Okay, okay, es gibt auch Gitarren die mehr Saiten haben. Standard aber – sowohl bei elektrischen als auch akustischen Gitarren – sind exakt sechs. Das war nicht immer so. Versuchen wir gemeinsam, das Geheimnis zu lüften: Warum hat eine Gitarre 6 Saiten?

Check it: Warum hat eine Gitarre 6 Saiten?

  • Kreative Überlegungen aus Musikerkreisen
  • Es gibt auch Gitarren mit mehr als 6 Saiten
  • Ein Ausflug in die Gitarren-Evolution
  • Standard 6 Saiten: Resultat unterschiedlichster Einflüsse

Würdest du zu denjenigen gehören, die alles einfach unhinterfragt hinnehmen, würdest du diese Zeilen vermutlich nicht lesen. Du gehörst zu den Neugierigen, die sich auch für Hintergrundwissen interessieren. Mit dem Motto „Das ist nun mal so, weil’s immer so war“ kannst du nicht das Geringste anfangen.

Das ist gut so. Wir auch nicht. Und deshalb wollen wir diesmal einem Mysterium auf die Spur kommen und Antworten finden. Die Frage: Warum hat eine Gitarre 6 Saiten, weshalb sind es nicht mehr oder weniger?

Warum hat eine Gitarre 6 Saiten: Aus Sicherheitsgründen

Wühlt man sich ein wenig durch frotzelnde Musikerforen, liegt die Antwort ziemlich nah: Offensichtlich sind es ganz praktische Gründe: Zumindest akustische Gitarren haben ein meistens kreisrundes Schallloch. Das ist natürlich eine Gefahr für Hand und Finger. Schließlich passieren die meisten Unfälle hierzulande unmittelbar im Haushalt.

Die Gitarre ist dein Haushalt. Über dem Loch werden einfach Drähte gespannt. Aus Sicherheitsgründen. Damit die Hand nicht ins Schallloch fällt. Die Frage, „Warum hat eine Gitarre 6 Saiten“ stellt sich nicht. sei froh, dass du überhaupt welche hast.

Mehrfunktionalität für den Musikerhaushalt

Ein weiterer Grund aus der komödiantischen Musikerwelt könnte sein, dass dem einen oder anderen ein nützliches Haushaltsgerät fehlt. Nicht jeder besitzt einen Eierschneider. Da kann es ja nur hilfreich sein, wenn man das Instrument gewissermaßen mehrfunktional konstruiert.

Also einerseits zum Musikmachen, auf der anderen Seite, um damit das morgendliche Frühstücks-Ei in gleichmäßige Scheiben zu schneiden. Die Instrumentenbauer sind nun mal gute Menschen mit einer guten Portion Empathie. Und warum hat eine Gitarre 6 Saiten? Was soll die Frage? Reicht doch für ein Frühstücks-Ei. Okay, so langsam sollten wir ernsthafte Antworten liefern.

Der Standard: 6 Saiten | Foto: Shutterstock von Keith Publicover und TheHighestQualityImages

Sechs Saiten: Kein verpflichtender Zwang, aber Standard

Beginnen wir mal so. Eine Gitarre könnte durchaus mehr als 6 Saiten haben. Einige „exotische“ Modelle davon gibt es ja auch, beispielsweise die 7-Saiter, 8- oder 10-Saiter und weitere leicht kuriose Varianten wie die Doppelhalsklampfe, auch die relativ normale 12-Saitige.

Manche Gitarreros sind offenbar vollkommen weggesprengt, die spielen auf Klampfen mit drei und mehr Hälsen und entsprechend vielen Saiten. Tatsache bleibt: Standard ist die 6-saitige Gitarre, weil man damit die sogenannte Standardstimmung | E | A | D | G | H | E | abbilden kann.

Obertonreicher durch Oktav-Saiten | Foto: Shutterstock von Hand Robot

Unterschiedliche Konzepte: Obertonreicher Klang oder erweiterter Tonumfang

Bei 12-saitigen Gitarren werden lediglich die vorhandenen Saiten gedoppelt (oktaviert). Da werden also mit einem Finger immer zwei Saiten gleichzeitig gegriffen. „Lediglich oktaviert“ ist definitiv eine Untertreibung. Denn das konkrete Resultat ist, dass der Klang des Instrumentes weitaus obertonreicher wird. Im Fachjargon spricht man dabei auch von doppelchörigen Gitarren. Demnach ist eine 12-saitige Gitarre eigentlich eine mit „Chorsaiten“ garnierte 6-Saitige.

Anderes Konzept: Tonumfang erweitern | Foto: Shutterstock von Jong42

Einen anderen Weg gehen 7- oder 8-Saiter. Auf diesen Instrumenten befinden sich wirklich real nutzbare zusätzliche Saiten, mit denen der Tonumfang des Instrumentes vergrößert wird. Wer also tiefer spielen möchte, muss dafür die Klampfe nicht extra umstimmen. Insbesondere in der osteuropäischen Musik sind 7-saitige Akustikgitarren übrigens vollkommen gebräuchlich.

Wüstenstaub und Flamenco: Die ersten Gitarren hatten 4 Saiten

Machen wir zum besseren Verständnis einen Ausflug in die Geschichte. Um genauer zu sein, ins 16. Jahrhundert. Zeitreise mit Retro-Faktor; ihr befindet euch gerade mitten in der Renaissance. Das nämlich war die Zeit, in der die ersten Gitarren von Arabien nach Spanien schwappten und von dort ihren musikalischen Siegeszug ins restliche Europa und die westliche Welt antreten sollten. Was ich sagen will: Die Vorform der heutigen Gitarre ist die spanische Vihuela. Und diese damaligen Gitarren hatten gerademal vier Saiten.

Immer auf der Suche nach dem Besonderen und zugleich Machbaren wurde weiter experimentiert. Wenig später – und bis ins 18. Jahrhundert hinein – wurden Gitarren immerhin schon mit fünf Saiten bestückt. Die Instrumentenbauer orientierten sich aus Gründen der Bespielbarkeit zunächst an der Anzahl der Finger der Anschlaghand. Und da kannst du deine Griffel solange zählen, wie du willst. Mehr als fünf werden es nicht.

Mandora: Einer der Urväter der Gitarren-Evolution | Foto: Shutterstock von goldpierre

Zeitreise nächste Station: Ab ins 19. Jahrhundert

Dann wandelte sich die Philosophie erneut. Man erkannte, dass sich mit fünf Fingern auf sechs Saiten relativ komfortabel Akkorde spielen ließen. Naheliegend, das Konzept zu ändern und den Tonumfang – also auch die Klangfülle und Klangbreite – der Gitarre zu erweitern. Auch vor diesem Hintergrund fand kurz vor 1800 ein Gitarren-Quantensprung statt: Die Gitarre übernahm die Stimmung und die sechste Saite von einem weiteren evolutionären Vorläufer: der Mandora. Die traditionelle 6-saitige Gitarre war geboren.

Zu tun hatte das übrigens auch mit der musikalischen Entwicklung der damaligen Zeit. Eine Zeit lang war es so, dass die Gitarre hauptsächlich zur Akkordbegleitung per Strumming genutzt wurde. Der Musikgeschmack änderte sich. Plötzlich waren eher das Melodiespiel und das konzertante Zupfen angesagt. Auch dies ein Anlass dafür, dem Instrument die sechste Saite zu verpassen. Weil man in Sachen melodiösem Tonumfang einfach mehr rausholen konnte. Der Daumen durfte nun eine weitere Saite im Bass bedienen.

Saitenanzahl und Gitarrenstimmung spiegeln musikalischen Zeitgeist

Wir könnten das jetzt gerne noch verkomplizieren. Um es nicht ausufern zu lassen, beschränken wir uns auf den Hinweis, dass es im Laufe der Gitarren-Evolution immer auch unterschiedliche Stimmungen gab. Wichtig zu verstehen an dieser Stelle, dass die Anzahl der Saiten als auch die Stimmung der Gitarre immer die jeweiligen Musikströmungen widerspiegelte.

Wenn’s völlig abgedreht wird | Foto: Shutterstock von Mister Dreamer

Ergebnis jahrhundertelanger Entwicklung

Unter dem Strich haben sich die Besaitung der Gitarre als auch die Stimmung im Laufe der Jahrhunderte herauskristallisiert. Der heutige Standard ist das Ergebnis aus immer besser werdendem Gitarrenbau, den Anforderungen der Musiker und den jeweiligen Musikstilen und Spielweisen.

Und Standard bedeutet eben auch, dass Musiker etwas reproduzieren können, dass für ein Instrument komponiert werden kann, dass der Nachwuchs etwas an der Hand hat, woran er sich orientieren und lernen kann. Kreativ experimentieren kann man immer noch.

Die Quintessenz der Gitarrengeschichte ist, dass das Beste aus unterschiedlichen Welten zu einem Gesamtergebnis verschmolzen wurde. Mit unterschiedlichsten Einflüssen hat man immer wieder nachgebessert, beispielsweise aus Gründen der Bespielbarkeit, auch der Tonausbeute, die man aus den drei Oktaven einer Gitarre kitzeln kann. Warum hat eine Gitarre 6 Saiten? Es ist die Synergie aus Musikalität, Instrumentenbaukunst und den Wünschen der Musiker.

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Keine Kommentare zu “Warum hat eine Gitarre 6 Saiten?”
  1. PrimaFrank

    Hallo Alleswisser? und Musikliebhaber,-wissende und -kritiker.
    Ich habe diese einfache Frage schon oft allen und jedem gestellt. Bis heute habe ich keine logische Argumentation bekommen und auch nirgens gelesen. Eigenartig – jeder spielt akzeptierend die H-Saite, kann aber nicht sagen warum?
    Ich selber spiele, zupfe den Bass und kreische am Saxophon, neuerdings beschäftige ich mich mit KonzertGitarre und E-Gitarre. Auf dem E-Bass (Jazz) und deren 4 Saiten lernt man relativ logisch, auch optisch und chromatisch die Dur/Moll/Majar Typen und kann so – schnell die Kadenzen, einfache Bossa-Nova Grooves bedienen. Liegen die Akkordtypen ja auch in einer Lage. Ok, aber mit der H-Saite hat es wohl etwas anderes im Sinn. Mir ist aufgefallen, erst durch die Halbton Verrückung von der C-Saite zur H-Saite (normalerweise hätte ja nach der QuartenStimmung der E,A,D,G-Saiten eine C-, wenn nicht sogar F-Saite kommen können, oder? JEDENFALLS dieser kleine HalbtonSchritt nach unten bewirkt doch, daß solch einfache diagonale Fingersätze für Dreiklänge entstehen (!?) Ist der Grundton des Dreiklanges von der D-Saite aus festgelegt, sind alle diagonalen Fingersätze (mit der D-G-H Saite) in Dur. Ist der Grundton auf der G-Saite zu finden, so sind alle diagonalen Fingersätze (mit der G-H-E Saite) in Moll. FRAGE: ist das ein Zufall? kann man dadurch leichter, virtuoser spielen?
    Vielleicht ergab sich ab der BarockZeit der Trend, neue Spielfelder oder BewegungsMuster auszukosten? vielleicht ermöglichen im hohen Tonbereich, wo auch Melodien zum Tragen kommen, bessere Orientierung. Rückwärts gesehen, um mit der hohe E-Saite die Grundstimmung (E,A,D,G,H,E) abzuschließen, bzw. um im QuartAbstand auf die hohe E-Saite zu kommen, hat man halt die Saite davor entsprechend zum Quartabstand (halbton runter) bestimmt, damit eine gewissen Symmetrie entsteht. (!?) ……… PS: wahrscheinlich ist meine Beobachtung vollkommener, unwichtiger Bullshit und sollte nicht so ernst genommen werden.
    Allerdings habe ich davon auch noch nichts gelesen, andersherum muß da doch irgendein Sinn daran liegen)
    Trotzdem schönen Gruß an die Musik

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