Es ist mehrfach bewiesen, dass Musik in der frühkindlichen Bildung eine essentielle Rolle spielt. An vorderster Front steht hier das Singen, denn es ist die natürlichste Art des Musizierens. Aber auch Instrumente steigen im Stellenwert für die konstruktive Betreuung von Null- bis Sechsjährigen. Kann ein freies Konzept wie Drum Circle hier funktionieren? Ja, es kann, behauptet der Autor:
Check it: Drum Circle in der Kita
- Die Besonderheiten der Kleinkinder reflektieren
- Aufmerksamkeit mit der richtigen Didaktik erzeugen
- Vertrauensvolle Plattformen als Basis für kindliche Kreativität
- Mit den unbedarften Ohren der Kids hören
Drum Circle in der Kita? Klar, warum nicht
Wie entwickeln sich Kinder? Wie lernen sie sprechen, laufen, sich verhalten? Sie tun es einfach. Aufstehen, hinfallen, wieder aufstehen. Niemand muss ihnen detailliert auseinandersetzen, wann welcher Fuß wohin zu setzen ist. Trial and error. Und trotzdem haben sie Lehrer. Nämlich die, die es schon können. Die Erwachsenen, vor allem aber die älteren Kinder. Nicht, weil die es ihnen bewusst beibringen, sondern auch hier: Weil sie es tun. Sie gehen, sie sprechen, sie verhalten sich.
Geteilte Meinungen über das richtige Anfangsalter
Die Idee, in diesem Entwicklungsstadium mit einer musikalischen Improvisationsmethode anzusetzen, springt einen geradezu an. Aber es ist Nachsicht geboten. Der bekannte amerikanische Musiktherapeut, Percussionist und Drum-Circle-Facilitator Kalani Das hat sich mal in einem ausführlichen Facebook-Post darüber ausgelassen, dass er mit Kindern keine Drum Circles macht. Das würde nicht funktionieren. Er trommelt mit ihnen, spielt Rhythmusspiele, gibt Anleitung. Aber frei improvisieren, das geht nicht. Ich kann hier nur bedingt zustimmen und behaupte: Es ist eine Frage der Einstellung und Erwartungshaltung.
Eine Frage der kleinkindgerechten Didaktik und Erwartungshaltung
Tatsächlich kann ich nicht in eine Kita gehen und nach dem klassischen Modell eines Community Drum Circles die Kinder in einen improvisierten Groove führen. Sie werden nicht das tun, was ich von ihnen erwarte. Aber ist diese Erwartungshaltung ihr Problem oder meins? Ich möchte als Ergebnis einen gesetzten und anspruchsvollen Rhythmus. D’accord, das wird wohl nichts werden.
Wenn ich aber möchte, dass die Kinder aktives und kreatives Musizieren erleben, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten ausdrücken und in einen non-verbalen Dialog treten, dann sollte ich schleunigst meine Trommeln einpacken und in die nächste Betreuungseinrichtung fahren.
Vertrauensvolle Plattformen als Basis im Kindergarten
Tatsächlich brauchen Vorschulkinder breitere Plattformen als Jugendliche oder Erwachsene. Als Plattformen werden bei uns (und auch allgemeindidaktisch) Umstände bezeichnet, die Sicherheit und Halt als Grundlage für Entwicklungs- und Lernprozesse anbieten.
Wie aber können solche Plattformen beschaffen sein und welche Prozesse können wir darauf aufbauen? Wie immer ist es am einfachsten, dies an einem praktischen Beispiel zu untersuchen. Also konstruieren wir uns einen Drum Circle in der Kita. Wir haben eine Familiengruppe (Kinder von 0-6) von 15 Kindern und dazu noch ein paar Erwachsene und Jugendliche, die als Betreuungskräfte und im Rahmen von Praktika in der Einrichtung arbeiten.
Würde ich die Instrumente von vorneherein in den Kreis stellen, hätte ich schon das erste Chaos (was unter dem Aspekt der Kreativität nicht zwingend schlecht sein muss). Das ist keine mangelnde Disziplin, sondern nachvollziehbare Begeisterung. Hey, da steht eine Trommel! Also biete ich an:
Plattform No. 1:
Wir alle setzen uns auf Sitzkissen in einen Kreis ohne Instrumente. Die meisten Kinder kennen das aus Morgenkreis-Situationen. Von hier aus kann ich die ersten Schritte per Stimme und/oder Bodypercussion gehen. All das, was später auf den Instrumenten passieren soll, kann ich vorab auf Oberschenkeln oder dem Fußboden tun (ja, ich lehre, aber die Kinder merken es nicht).
Auch wenn ich jetzt die Instrumente austeile, kann ich nicht ernsthaft erwarten, dass jedes Kind sich zurückhalten kann. Ich könnte es nicht. Also gebe ich ihnen einen Grund, der besser ist als „Weil ich das so will“.
Plattform No. 2:
Eine von vielen Möglichkeiten ist, dass ich den Kindern erzähle, die Trommeln schliefen noch. Alle im Raum sollten bitte ganz leise und vorsichtig sein, damit wir sie gleich gemeinsam sanft aufwecken können. Stellt euch vor, wie leise und besorgt die Kinder jetzt mit den Instrumenten umgehen. Und das ist keine Schreibtisch-Fantasie. Ich habe das schon oft so gemacht.
Ein kleiner Teach-Without-Teaching-Trick: Jetzt wecken wir die Trommeln auf. Und zwar erstmal ganz sanft und leise, später etwas kräftiger, dann ganz laut. Ups, Dynamik beigebracht. Hat niemand gemerkt.
Jetzt wird’s knifflig. Wir wollen Rhythmus etablieren. Und wenn es nur ein einfacher bumm-bumm-bumm-bumm-Beat ist. Ich könnte jetzt anfangen zu spielen und die Kinder auffordern es mir nachzutun. Sicher würden das auch viele machen. Aber ebenso viele würden sich – berechtigterweise – fragen: Warum? Also bilde ich für die Kinder:
Plattform No.3:
Sie brauchen einen Grund, um gemeinsam und rhythmisch Noten zu spielen. Hier ist wieder eine von vielen Ideen: „Wer von euch ist ein Jahr alt?“ (Die Älteren helfen hoffentlich). „Ok, für dich, dich und dich spielen wir jeweils gemeinsam eine Note. Hier ist deine (bumm), hier ist deine (bumm)“, usw. Dasselbe machen wir für die Zwei-, Drei- bis Sechsjährigen. Und das wird auch jedes Mal total gefeiert.
Achtung, jetzt kommt‘s: „Ich möchte gerne, dass ihr für mich auch spielt. Ich bin aber schon 40 Jahre alt. Auf geht’s.“ Und dann geht es tatsächlich los. Am Anfang wird noch gezählt, aber irgendwann hört das auf, und wir sind alle in einem simplen 4-on-the-floor-beat. Und wenn irgendein Schlaumeier doch komplett mitzählt und bei 40 aufhören will, denke ich mir später jemanden aus, der 1000 Jahre alt ist.
Alles schön und gut, aber noch kein Drum Circle?
Jaaaa, einen Moment noch. Mit solchen Plattformen und Spielen schaffe ich eine rhythmische Grundlage (Ui, wieder eine Plattform), auf der ich den kreativen Teil aufbauen kann. Und dabei kommt dann die für mich allerwichtigste Plattform ins Spiel: Die ÄLTEREN.
Zum Beispiel die Erzieherinnen, aber auch die älteren Kinder. Wenn die in der Lage sind, einen kleinen Grundbeat zu halten, kann ich die übrigen Teilnehmenden wunderbar dazu bringen, sich kreativ darüber auszuleben. Denkt daran, was ich weiter oben über Erwartungshaltung geschrieben habe:
Kreatives Ausleben hat nichts mit erwachsenen Maßstäben zu tun
Das kreative Ausleben wird sich für uns häufig anhören wie Lärm. Aber für die Kinder ist es eine Erfahrung in jeder Hinsicht. Sie erleben, dass die Hände wehtun oder müde werden, wenn sie die ganze Zeit nur laut trommeln oder rasseln. Sie erleben, dass es aus demselben Grund negative Reaktionen der anderen Kinder geben kann. Sie erleben, wie schön es sein kann, auf diese Reaktionen wiederum zu reagieren und leiser zu spielen. Sie erleben die klanglichen Unterschiede von Trommel, Rasseln und anderen Instrumenten.
Welche Perspektive auch immer: Es heißt Drum Circle
Es mag eine Perspektivenfrage sein, aber für mich ist das Drum Circle. Die Musik, die dabei herauskommt, ist halt nur eine andere. Aber die Musik auf den CDs meiner Töchter ist auch nicht unbedingt die, die ich privat zum Spaß höre. Drum Circle definiert viel weniger das Verhalten der Teilnehmenden als vielmehr die Haltung der Facilitator. Und das gilt auch und erst recht in der Kita.
Wie seht ihr das? Drum Circle in der Kita oder doch einfach nur Rhythmusspiele? Schreibt eure Meinungen und Erfahrungen gerne in die Kommentare.
Ich wünsche euch fröhliches „plattformen“.
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Gerade in der Kita bieten sich unterschiedliche Instrumente für die musikalische Entdeckungsreise an. Schaut dafür doch mal auf unseren Artikel zum Thema „Percussion-Instrumente für die musikalische Früherziehung“.