Die Balgführung beim Akkordeon ist vergleichbar mit der Bogenführung bei Streichinstrumenten. Zuständig dafür, die Luft durch das Instrument strömen zu lassen und die Schwingungen der Stimmzungen überhaupt erst zu ermöglichen. Ohne die Luft als tontragendes Medium geht gar nichts. Umso wichtiger ist es, dass wir der Balgführung die notwendige Aufmerksamkeit widmen:
Check it: Balgführung beim Akkordeon
- Der Balg als dein individuelles Stilmittel
- Balgwechsel nach Phrasen vorplanen
- Balg-Wege beim Üben einteilen
- Phrasierungen und musikalische Stilmittel per Balg
Balgführung beim Akkordeon zwischen Basic und Dynamik
Der Balg wird im Musikerjargon mit vielen Umschreibungen bezeichnet. Ob er die Seele deines Instrumentes oder dessen Lunge ist, ob er mit dem Geigenbogen oder dem Luftsack verglichen wird, verdeutlicht vor allem eines: Er ist das Basic-Bauteil, mit dem du die notwendige Luft durch dein Akkordeon schickst. Kann also nicht so ganz unwichtig sein.
Immer wieder zu beobachten ist, dass Akkordeonisten sich teils hochkomplexe Songs mit anspruchsvollen Fingersätzen draufschaffen und bei zuweilen artistischen Läufen, Bass- und Akkordbegleitungen die Bedeutung des Balges vergessen. Dabei ermöglicht doch gerade die korrekte Balgführung beim Akkordeon immense Ausdrucksvielfalt. Und im Umkehrschluss auch das Risiko, Einzeltöne und den Gesamtsound gnadenlos zu versemmeln.
Balg beherrschen und benötigte Kraft einteilen
Bekanntlich wird der Balg in mindestens zwei Richtungen bewegt. Er wird gedrückt und gezogen. Deine Grundanforderung lautet, die Töne bei Druck und Zug gleichlaut klingen zu lassen. Dafür benötigst du die gute Portion Kraft. Keinesfalls die eines musikalischen Bodybuilders, aber ein wenig trainieren musst du durchaus. Ohne die gute Portion körperlicher Fitness kann die korrekte Balgführung beim Akkordeon problematisch werden.
Dabei ist der Grund simpel. Verinnerlichen wir das Prinzip, sind wir zugleich der Lösung einen gehörigen Schritt näher. Vollkommen normal ist es, dass wir mehr Zugkraft als Druckkraft haben. So sind die handelsüblichen Menschen nun mal konfektioniert. Das wiederum bedeutet, dass die stärkere Richtung auf die schwächere Rücksicht nehmen muss.
Neuralgischer Punkt: Der richtungsändernde Balgwechsel
Der neuralgische Punkt ist der Wechsel der Bewegungen. Bezeichnet wird die Änderung der Richtung als Balgwechsel. Zugegeben, der Ausdruck klingt ein wenig verwirrend bis knallhart am eigentlichen Sinn vorbeigeschlittert. Immerhin wechselst du nicht den Balg, sondern lediglich die Richtung der Balgführung beim Akkordeon.
Sei’s drum; es gibt wichtigere Dinge, über die man philosophieren könnte. Tatsächlich ist es so, dass du dafür sorgen musst, dass der Ton beim Balgwechsel abreißt. Auch soll sich die Lautstärke nach dem Wechsel zwischen Druck und Zug – und umgekehrt – die Lautstärke nicht ungewollt verändern.
Idealerweise ist wählst du einen möglichst kurzen Balg-Weg. Hilfreich dafür ist die sogenannte Balgstütze. Am unteren Ende wird der Balg kaum bis gar nicht, stattdessen nur der mittlere und untere Teil fächerartig geöffnet. Vorteilhaft und kräfteschonend ist die Balgstütze für dich insbesondere beim Spielen im Stehen. Allerdings solltest du dir dessen bewusst sein, dass die Balgstütze zulasten der Dynamik geht.
Übrigens: Wenn du beim Schließen des Balges nicht den notwendigen Druck hinbekommst, zumal dir die Kraft fehlt, kann auch dies ein naheliegender Grund sein: Vermutlich ist dein Akkordeon zu groß.
Plädoyer für die überlegte Balgführung beim Akkordeon
Ohnehin macht es keinen Sinn, den Balg mit voller Kraftanstrengung zu bedienen. Schließlich willst du keinen Fahrradreifen und auch keine Luftmatratze aufpumpen. Vielmehr ist es dein Ziel, durch die korrekte Balgführung beim Akkordeon die Töne zunächst gleichmäßig, dann dynamisch in Schwingungen zu versetzen. Die benötigte Kraft nimmst du nicht aus den Armen, sondern aus dem Rumpf. Der hat mehr davon. Dies ist auch ein Grund dafür, weshalb die richtige Körperhaltung so wichtig ist.
Balg-Wege einteilen, Balgwechsel vorplanen
Eine saubere Balgführung bedeutet vor allem auch, die Phrasen im Stück zu berücksichtigen, den Balgwechsel also an der richtigen Stelle und zum richtigen Zeitpunkt durchzuführen. Es geht eben nicht darum, um jeden Preis solange in eine Richtung zu spielen, wie noch Strecke bei Zug bzw. Druck zur Verfügung steht. Weitaus besser ist es, die Balgwechsel vorausschauend zu planen. Die Balg-Wege müssen vernünftig eingeteilt werden.
Hintergrund der Einteilung der Balgwechsel nach Takten
Wenig Sinn hat es für die korrekte Balgführung beim Akkordeon, sich die Balgwechsel etwa nach Takten einzuteilen. Vernünftiger und auch musikalischer wird es mit der Einteilung nach musikalischen Phrasen. Gut beraten bist du, wenn du dich fragst, an welcher Stelle beispielsweise Sänger oder Blasmusiker Luft holen würden. Lass‘ dein Instrument atmen, als würdest du selbst das Stück mitsingen und -atmen.
Dass der Balgwechsel in manchen Musikschulen zuweilen nach dem Mehrfachen von zwei Takten empfohlen wird, ist lediglich ein Missverständnis der Ausdrucksweise, mit der Einsteigern die Thematik nähergebracht werden soll. In vielen Musikstücken ist es einfach so, dass Phrasen nach zweitaktigem Muster enden, was für den Balg der optimale Zeitpunkt durchzuatmen ist. In unserer westlichen Musik dauert Melodiebögen oft vier oder acht Takte.
Töne nicht durch Richtungswechsel zerstückeln
Und einen zuweilen bei mit dem Balg kämpfenden Einsteigern beobachtbaren Kardinalfehler solltest du dir schnell abgewöhnen: Auf keinen Fall solltest du lange anzuhaltende Töne durch einen Balgwechsel zerstückeln. Das klingt einfach unschön, um härtere Worte zu vermeiden. Stattdessen gilt es Pausen auszunutzen, so sie denn hoffentlich vorhanden sind. Wieder wird deutlich: Auch Pausen sind Musik.
Balgdynamik – die Visitenkarte des Akkordeons schlechthin
Welche Bedeutung die dynamische Spielweise mit dem Balg hat, darfst du dir als Akkordeonist mit berechtigtem Stolz auf der Zunge zergehen lassen: Letztlich sind die Phrasierungen über den Balg einer der Hauptpunkte, über den sich das Akkordeon identifiziert. Erst dadurch liefert es den besonderen Klang, mit dem dein Instrument sich von Orgel, Keyboard und Co. markant unterscheidet.
Phrasierungen – zusätzliche Gewürze für den Akkordeoneintopf
Erst nachdem du in beide Richtungen sicher bei gleichbleibender Lautstärke spielen kannst, kannst du dir Gedanken in beide Richtungen machen. Die kontrollierte Spielweise ist die Basis für das dynamische Spiel und die Stilmittel und speziellen Phrasierungen, die dir über den Balg zur Verfügung stehen.
Um die gleichmäßige Balgführung beim Akkordeon beurteilen zu können, sind deine Ohren deine besten Freunde. Allemal sinnvoll jedoch ist es auch, wenn du dich immer wieder von Zuhörern – seien es der Musiklehrer, die Familie oder Freunde – kontrollieren lässt. Die eigenen Ohren haben eben auch den Hang zum Selbstbetrug.
Balgtremolo – der berühmte Schütteleffekt
Zu den speziellen Stilmitteln, die durch die überlegte Balgführung beim Akkordeon erzielt werden, gehört das Balgtremolo, auch bezeichnet als Schüttelbalg oder Bellows Shake. Während du einen oder mehrere Töne drückst, wird der Balg schnell hin- und herbewegt. Vorstellen kannst du dir diese Bewegung wie ein schnelles Schütteln. Vergleichbar ist dieser Effekt mit dem Tremolo auf Streich- oder anderen Saiteninstrumenten. Die Anforderung ist nicht ohne, für den Schüttelbalg wirst du viel Kraft benötigen.
Attack der Töne ändern durch angespannten Balg
Große klangliche Unterschiede und Nuancierungen kannst du über einen mehr oder minder angespannten Balg erzielen. Beispielsweise mit angespanntem Balg ist es möglich, Anfangstöne der Melodien sehr prägnant und druckvoll zu spielen, ohne sie erst langsam anschwellen zu lassen. Die Töne setzen abrupt ein und sind einfach sofort da.
Stakkato und weitere Akzente: Unbedingt kontrolliert
Zu den weiteren Effekten, die du durch die Balgführung beim Akkordeon aus dem Instrument kitzeln kannst, gehört das Stakkato. Der Balg wird kurz und knapp in bewegt, die Bewegungen dabei mit der Melodiehand synchronisiert. Bei diesen Bewegungen solltest du dir deine Kraft gut einteilen. Gleichmäßigkeit ist hierbei Pflicht, zumal das Stakkato sich andernfalls nach einem Fehlversuch anhören würde. Gleiches gilt für die gewollte und bewusste Spielweise bei sämtlichen weiteren Akzenten.
Akkordeon zum Perkussion-Instrument umfunktioniert
Und da wir uns hier gerade mit dem Balg beschäftigen, wollen wir auch ein weiteres Stilmittel nicht unerwähnt lassen, zumal es sich speziell mit diesem Bauteil deiner Quetsche umsetzen lässt. Besonders Akustik- und Fingerstyle-Gitarristen kennen den Trick, ihre Stücke mit perkussiven Elementen interessanter und rhythmischer zu gestalten.
Dafür klopfen sie auf den Korpus ihre Gitarre, der zugleich der verstärkende Resonanzkörper ist. Gleiche Möglichkeiten haben Akkordeonisten mit dem Balg. Das perkussive Klopfen auf das Instrument funktioniert auch an anderen Stellen. Besonders effektiv hörbar ist es auf dem Balg. Schon wirst du mit deinem Akkordeon zugleich zur Rhythmusmaschine.
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