Virtuelle Probe: Wie ihr die Live-Schalte mit der Band realisiert

Kreativ und aktiv jammen trotz Corona-Einschränkungen

| Foto: Shutterstock von Shyntartanya

Jammern bringt nix, jammen schon. Aber wie soll man gemeinsam üben oder musikalische Projekte nach vorn treiben, wenn die Kontakte wegen Corona derart eingeschränkt bis eingefroren sind? Nie  war das in der Menschheitsgeschichte so einfach wie heute. Schließlich sind die meisten von euch Digital Natives. Hier unsere Tipps für die virtuelle Probe:

Check it: Voraussetzungen für die virtuelle Probe

  • Problematik von hohen Latenzen
  • Datengeschwindigkeit ausschlaggebend
  • Hardware ähnlich dem Homestudio
  • Die notwendige Ausstattung
  • Interessante Software-Lösungen

Wieder zu Hause festgenagelt: Virtuelle Probe im Home-Studio

Kein Mensch kann vorhersagen, wie lange die COVID-19-Pandemie mitsamt den daraus resultierenden Einschränkungen uns noch im Griff hat. Das Infektionsgeschehen ist weltweit dramatisch, die Zahl der an oder mit der Pandemie Verstorbenen und Erkrankten erst recht. Leider bitter, aber logisch ist, dass wir wieder Abstand voneinander halten und die direkten Kontakte reduzieren müssen. Für Bands, die eigentlich auf das gemeinsame Proben angewiesen sind, gibt es nur die Möglichkeit auf digitale Online-Tools zu setzen und sich per Liveschalte aus dem Wohnzimmer zu vernetzen.

Weshalb der Echtzeit-Faktor so ausschlaggebend ist

Stellt sich die Frage, mit welchen Plattformen und Programmen ihr die virtuelle Probe vernünftig umsetzen könnt. Immerhin stehen Musiker vor speziellen Anforderungen. Die Besonderheit ist kurios. Es geht um Zeit. Davon steht den meisten Daheimbleibenden in Corona-Tagen, -Wochen und -Monaten eine ganze Menge zur Verfügung, viel zu viel. Aber exakter ausgedrückt geht es um Echtzeit.

Bei herkömmlichen Konferenz-Portalen ist eine leichte Zeitverzögerung – die sogenannte Latenz – kein Problem. Die Teilnehmer sprechen – meistens – nacheinander. Dass diese Unterhaltungen digital leicht zeitverzögert übermittelt werden, ist in solchen Fällen kein Problem. Vielfach wird es sogar kaum bemerkt. Ganz anders allerdings, wenn mehrere Musiker zusammen einen Song spielen oder beispielsweise ein Chor per Video-Schalte singen soll. Einheitliches Timing kann nur funktionieren, wenn ihr euch ohne zeitlich Differenzen gegenseitig hört.

Synchronisiertes Spiel funktioniert nur ohne Zeitverzögerungen | Foto: Shutterstock von Veli_G und Seeme

Ohne vernünftiges Netz und Internetgeschwindigkeit geht gar nichts

Um das frustfrei hinbekommen zu können, müssen gleich mehrere Stellschrauben bedacht werden. Und zwar bevor ihr euch für das entsprechende Portal entscheidet. Zwingende Voraussetzung ist schon mal, dass alle Teilnehmenden über eine vernünftige Internetverbindung mit ausreichender Up- und Download-Geschwindigkeit verfügen. Wenn die Leitung zu schwach ist, besteht wenig Aussicht darauf, eine annähernde Echtzeitübertragung zu realisieren.

Hardware-Ausstattung nahezu identisch mit Home-Studio

Im nächsten Schritt solltet ihr euer Equipment betrachten. Letztlich könnt ihr die notwendige Ausstattung mit der beim Home-Recording vergleichen, die lediglich um die Konferenz-Tool erweitert wird. Sinnvollerweise benötigt ihr ein kleines Mischpult, ein Audio-Interface, eine DAW, für Stimme und akustische Instrumente ein Mikrofon und abschließend noch die Webcam. In vielen Fällen seid ihr bereits stolze Besitzer dieses musikalischen Inventars.

Und da ihr ja bei Home-Recording-Sessions auch nicht zeitverzögert einspielen oder abhören wollt, habt ihr bei dieser Ausstattung für das Heimstudio ebenfalls auf die geringstmögliche Verzögerung über das  komplette System hinweg geachtet. Die Voraussetzungen hinsichtlich des Equipments sind damit bei vielen von Euch bereits vorhanden. Viele allerdings betreten durch die kontaktfreien COVID-19-Bedingungen mit dem Home-Recording und Streaming Neuland, werden gewissermaßen ins kalte digitale Wasser geschmissen.

Synchronisiertes Spiel funktioniert nur ohne Zeitverzögerungen | Foto: Shutterstock von Tatiana Chekryzhova

Für diejenigen, für die Home-Recording Neuland ist

Aus diesem Grund hier eine kurze Zusammenfassung der musikalischen Hardware mit Tipps für die Neueinsteiger. Vorweg die gute Nachricht: Die Komponenten müssen nicht zwangsläufig kostspielig sein wie im professionellen Tonstudio. Aber sie sollten zumindest vernünftig qualitativ und aufeinander abgestimmt sein. Haltet euch die bidirektionalen Übertragungswege vor Augen.

1. Das Instrument ausgehend

Um die eigenen Audiosignale – Stimme und Instrument – möglichst frei von Nebengeräuschen und in vernünftiger Qualität einspielen und übertragen zu können, benötigt ihr idealerweise einen Kleinmixer. Wichtig dafür, den Mischer mit dem PC oder Laptop zu verbinden ist, dass er eine USB-Soundkarte mit an Bord hat.

Die Instrumentenanschlüsse müssen nicht überborden, schließlich ist die Anzahl der Signalquellen begrenzt. Ausschlaggebender ist, dass vernünftige Effekte integriert sind und der Equalizer ebenso gut reagiert. Ein gern genutzter Kleinmische für diese Zwecke kommt mit dem X1204 von Behringen. Detaillierte Information findet ihr auf dieser Produktseite auf thomann.de.

Kompakt und funktional | Foto: von Thomann

2. Die Stimme ausgehend

In den meisten Fällen habt ihr zwar bereits im Laptop ein Mikrofon. Doch hier kommt die gnadenlose Nachricht: Für die Aufnahme und Übertragung von Gesangsstimmen könnt ihr das vergessen. Das funktioniert nicht. Erstens ist die Klangqualität zu gering. Außerdem könnt ihr es nicht in den Kleinmixer und somit in das Audio-Interface einbinden. Beim t.bone SC-450 handelt es sich um ein bewährtes Großmembranmikrofon. Die Klangqualität weitaus besser als die der on-Board-Mikrofone. Große Membran, großer Sound. Werft mal einen Blick auf diese Produktseite auf thomann.de.

3. Das Video bzw. Livebild ausgehend

Hört sich platt und banal an, muss aber erwähnt werden: Um ein Live-Bild aufzunehmen braucht ihr logischerweise eine Kamera. Dass die Livebilder von euch selbst wenigstens einigermaßen authentisch und angenehm sein sollten, ist eine Selbstverständlichkeit, vielleicht auch der persönlichen Eitelkeit geschuldet. Selbst wenn die Mitglieder der Band sich kennen. Visuelle Peinlichkeiten wollt ihr euch auch nicht erlauben.

Und auch hier kommen die integrierten Komponenten von PC oder Laptop an ihre evolutionären Grenzen. Man kennt das von Live-Interviews via Webcam aus dem Fernsehen. Irgendwie sie das aufgrund der Perspektive immer ein wenig dämlich aus. Besser also, ihr setzt auf eine separate, externe Kamera mit Full-HD Auflösung. Dafür bietet sich beispielweise die Swissonic Webcam 2 Full-HD mit Autofokus an, zu finden auf dieser Produktseite auf thomann.de. Es gibt zahlreiche weitere hochauflösende Kameras. Achtet darauf, dass sie mit euren Treibern und Systemen kompatibel sind.

4. Die Audio-Signale eingehend

Die ankommenden Audio-Signal von Instrumenten und Gesang müssen verzögerungsfrei abgehört werden. Sowohl aus- als auch eingehend heißt das Zauberwort „DSP-basiertes Audio-Interface“. Digitales Signal Processing sorgt dafür, dass die Verzögerungen nahezu nicht vorhanden sind und gegen Null gehen. Ein bewährter Player und seit langer Zeit zu den Marktführern zählend ist die Steinberg mit der Software Cubase. Für eure Zwecke sinnvoll ist das USB 2.0 Audiointerface UR242. Und auch hier der Link zur Produktseite auf thomann.de.

DSP-basiert für geringstmögliche Latenz | Foto: von Thomann

Für die Abhöre könnt ihr auf unterschiedliche Möglichkeiten zurückgreifen, entweder einen vernünftigen Kopfhörer oder Monitore. Sofern ihr akustische Instrumente oder Vocals übertragen wollt, kann es die sinnvollere Lösung sein, auf Kopfhörer zu setzen, damit keine Feedbackschleifen entstehen. Sollten die Kopfhörer beim Spielen stören, müsst ihr mit der Aufstellung der Monitore ein wenig experimentieren. Aber vorsichtig, manche DAWs und Monitore haben nur die Möglichkeit des einseitigen Abhörens. Damit hättet ihr keine Chance.

5. Das Live-Streaming ein- und ausgehend

Und nun kommen wir zur Besonderheit des bidirektionalen Live-Streamings. Die Video- und Audioübertragung in Echtzeit schluckt reichlich Datenvolumen. Und exakt das ist das Problem. Nachdem ihr euer System konfiguriert, kontrolliert und optimiert habt, müsst ihr einer besonderen Hardware-Anforderung widmen.

Die genutzten Server müssen ausreichend leistungsfähig sein, um das Datenvolumen in Realtime zu bewältigen. Herkömmliche Server wie sie von den üblichen Internetanbietern zur Verfügung gestellt werden, genügen diesen Ansprüchen in den seltensten Fällen. Die Variante, eigene Server zu nutzen, ist  extrem kostspielig und Corona ist schließlich kein Sparstrumpf.

So gibt es die Möglichkeit, ausreichend leistungsstarke Server anzumieten, die ihren Standplatz auch DSGVO-konform in deutschen oder europäischen Rechenzentren haben. Die anfallende Servermiete könntet ihr eventuell aus der Bandkasse stemmen. Doch vielleicht wollen wir lieber die Kirche im Dorf lassen und nicht mit Spatzen auf Kanonen schießen. Wie wäre es, wenn wir die Notwendigkeit der Server einfach umgehen?

Jamkazam – die Peer-to-Peer-Lösung

Kommen wir zu einem Tool bzw. Programm, das schon vor Jahren speziell für Musiker entwickelt wurde. Jamkaram geht eben nicht über einen Server. Vielmehr erfolgt die Übertragung Peer-to-Peer zwischen den Rechnern der Teilnehmer. Das reduziert die Anforderungen an die Datenmengen wesentlich. Das Programm arbeitet mit  geringstmöglicher Latenz und überzeugt zugleich durch die hohe Klangqualität. Integriert sind die zahlreichen benötigten Funktionen wie das Screen- und Filesharing, ein umfangreicher Mixer, das Metronom und etliche weitere Features.

Nicht verschweigen dürfen wir an dieser Stelle, dass die Einrichtung wirklich nicht ohne ist. Ganz im Gegenteil die Parameter müssen sehr differenziert und komplex eingestellt werden. Auch werdet ihr das System bis zur funktionierenden Online-Probe mehrfach nachjustieren müssen. So gibt das Programm beim Testlauf Auskunft darüber, ob die Datenverbindung der User ausreichend stabil ist und gibt andernfalls Lösungsmöglichkeiten vor.

Weitere Lösungen – Open Source oder von den Software-Profis:

Es gibt weitere Möglichkeiten, die sich von den typischen Nachteilen von WhatsApp, Skype, Zoom oder Teamspeak usw. verabschieden. So beispielsweise die neue Kollaborationssoftware VST Connect 5, beei der  es sich um ein Add-on handelt. Interessant ist auch Jamulus, eine Open-Source-Plattform, die von der Community ständig weiterentwickelt wird, allerdings nur Audio überträgt. Für welche Plattform ihr euch entscheidet, hängt von eurer Reibung zwischen Daumen und Zeigefinger, von der vorhandenen digitalen Struktur und von euren Anforderungen ab. Ein Vergleich lohnt sich allemal

Und vor allem lohnt es sich, in beschränkten Zeiten nicht in düstere Stimmung zu versinken und Trübsal zu blasen. Weitaus besser für die Psyche und euren Bandzusammenhalt ist es, das Beste aus der Situation zu machen, virtuell zu proben und kontaktfrei in Kontakt zu bleiben. Wir wünschen euch viel Erfolg und kreative Ergebnisse. Haltet durch!

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Falls wir euer Interesse geweckt haben, dürfte dieser Artikel weitere Inspirationen liefern: „Alles für das Home Studio – welches Equipment ihr benötigt“.

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