Bratsche spielen – unberechtigterweise viel zu sehr unterschätzt

Allen Unkenrufen zum Trotz erst recht

| Foto: Shutterstock von Damian Byrne

Wer Bratsche spielt, macht das aus voller Überzeugung und ist fasziniert von dem so eigenständigen, teils melancholischen Klang. Ein Instrument mit großem musikalischem Potenzial, das aus Orchestern, Quintetten und auch als Solo-Instrument nicht mehr wegzudenken ist. Hier ein paar Tipps und Impressionen, wenn auch du Bratsche spielen möchtest:

Check it: Bratsche spielen und die Besonderheiten

  • Der nicht vorhandene Unterschied
  • Kleine und große Schwester zugleich
  • Lass dich nicht erschüttern, eigentlich ist es Bewunderung
  • Ohne Notenkenntnisse auf Dauer keine Chance
  • Bedeutung der vernünftigen Ausbildung am Instrument
  • Die anspruchsvolle Bogenbewegung

Bratsche spielen und der nicht vorhandene Unterschied zwischen Bratsche und Viola

Gleich zu Anfang wollen wir die Verwirrungen um die Bezeichnungen Bratsche und Viola auflösen. Tatsächlich benennen beide Namen dasselbe Instrument. Abgeleitet werden die Bezeichnungen aus dem Italienischen, nämlich der „Viola da braccio“, was übersetzt „Armgeige“ bedeutet. Vergleichbar ist dies mit dem nicht vorhandenen Unterschied zwischen Geige und Violine, den beiden Worten, die ebenfalls dasselbe Instrument benennen.

Wenn du Bratsche spielen möchtest, weißt du nun erstens, dass es weitere Namen für dein Instrument gibt, von denen Viola und Bratsche lediglich die am häufigsten verwendeten sind. Außerdem hörst du aus dem Begriff „Armgeige“ heraus, dass die Bratsche offensichtlich größer sein muss als eine Violine, also offenbar kein musikalischer Fingerfood.

Der Größenunterschied macht sich beim Spiel deutlich bemerkbar | Foto: Shutterstock von Laura Frenkel

Im geborgenen Kreis der Streicherfamilie, kleine und große Schwester zugleich

Und richtig, in der Musikwelt wird die Bratsche als die große Schwester der Violine verstanden. Aufgrund ihrer Dimensionen sind die Anforderungen an die korrekte Haltung höher, weil kraftaufwendiger. Die zu bewältigende Problematik ist, dass die Finger der Greifhand permanent gespreizt und zugleich locker und unverkrampft sein müssen.

Nicht zu vergessen, dass die Töne bei der Bratsche weiter auseinander liegen als bei der Violine, zudem die Saiten dicker sind und nach mehr Kraft der Greifhand verlangen. Zugleich wirkt sich das auf die Bogenführung durch die rechte Hand aus, die ebenfalls mit einem höheren Gewicht umgehen muss. Und um die Familie komplett zu machen: Die Bratsche ist auch kleine Schwester, nämlich die des Cellos. Verrückte Welt.

Tausendfach widergekäute Sprüche können dich nicht erschüttern

Wenn du dich entschieden hast, Bratsche spielen zu wollen, solltest du dir ein gemütlich dickes Fell aneignen. Ähnlich dem Bassisten in einer Band. Ebenso wie über die elektrifizierten Kameraden aus dem Tieftonkeller, wird mit und über Bratschisten gerne mal gefrotzelt. Die Witze und Sprüche sind zwar meistens älter als diejenigen, die sie von sich geben. Wirklich abebben wollen die trotzdem nicht. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Zugleich hat das jedoch etwas Positives und Freundschaftliches.

Hier lediglich eine kleine Auswahl der Sprüche, von denen du dich nicht abschrecken lassen solltest:

  • Geht ein Bratschist in eine Kneipe und bestellt etwas zu trinken. „Was darf es denn sein, ein Viertel oder eine Halbe?“ fragt der Kellner. „Eine Halbe bitte, ein Viertel ist mir zu schnell.“
  • Gastkonzert in der Stadthalle einer kleineren Provinzstadt. Bemerkt der eine Bratscher zu seinem Kollegen: „Meine Güte, die Akustik hier ist aber sehr schlecht.“ „Jetzt, wo du es sagst, rieche ich es auch.“
  • Stolz erzählt der Bratschist seinen Kollegen vor der ersten Probe: „Ich habe Sechszehntel geübt. Soll ich euch mal eins vorspielen?“

Okay, das ermüdende Gähnen ist allseits hörbar. Können wir gut verstehen. Die Musiker, die man in solche Witze einschließt, sind austauschbar. Woher aber kommt es, dass gerade Bratschern diese vermeintlichen Gags ständig um die Ohren fliegen? Nun, hier ein Versuch der Erklärung: Bassisten wird nachgesagt, sie seien sehr gutmütig und musikalisch stabil. Dasselbe gilt auch für die Bratschisten. Eigentlich aber vermuten wir einen anderen Grund.

Einfach ein dickes Fell aneignen; eigentlich ist es Bewunderung | Foto: Shutterstock von Cranach

Eigentlich gibt es eher Anlass für Bewunderung

Über Jahrhunderte hinweg war es so, dass die Bratsche im musikalischen Nirvana schwebte. Das aber vollkommen zu Unrecht. Die Viola hat nicht erst gestern Ihre Schattenexistenz verlassen. Sie ist schon seit geraumer Zeit nicht lediglich für die Begleitstimme zuständig. Du gehörst zu denen, die Bratsche spielen oder spielen wollen. Dir ist längst bewusst, wie vielseitig das Instrument genutzt und eingesetzt wird.

Und jetzt kommt’s: Die Branche hatte Geburtsprobleme, weil sie schwerer zu spielen war und ist als die Violine. Sie stellte hohe Anforderungen an die Bratschisten; Hürden, die von diesen Musikern erst mal übersprungen werden mussten. Ist es dann nicht so, dass die Bratschisten im Grunde genommen eine größere Leistung abliefern müssen als die musikalischen Kollegen auf der Geige? Insofern gibt es keinerlei Grund für Geringschätzung, ganz im Gegenteil. Eigentlich sind Bratscher die Helden.

Sorry, ohne Notenkenntnisse langfristig keine Chance

Wenn du Bratsche spielen und lernen möchtest, musst du nicht zwangsläufig Noten beherrschen. Es gibt auch simple Darstellungsweisen, mit denen dir erklärt wird, welchen Ton du wo auf der Saite greifen musst. Und jetzt hast du allen Ernstes geglaubt, wir würden diese Behauptung so im Raum stehen lassen? Nicht wirklich, oder? Auch als Hobbymusiker kommst du bei der Bratsche – wie bei allen Streichinstrumenten – ohne Notenkenntnisse nicht aus.

Du wirst in unterschiedlichen Konstellationen und ebenso abwechslungsreiche Werke auf der Bratsche spielen wollen. Musikstücke, die nach gemeinsamer Abstimmung verlangen. Ohne Notenkenntnisse keine Chance. Das Besondere der Viola ist, dass du nicht im Violinschlüssel, sondern im Altschlüssel lesen und spielen musst. Wenn du ernstzunehmend Bratsche spielen möchtest, gehören Notenkenntnisse, Harmonielehre und diverse weitere musiktheoretische Disziplinen unmittelbar mit zu deiner musikalischen Ausbildung.

Nur mit fundierter Ausbildung kommst du ans Ziel | Foto: Shutterstock von Anna Sedneva

Bratsche spielen als Autodidakt

Verbleibt die Frage, wie und wo du dir die Kenntnisse am besten aneignest und ob man sich Bratsche spielen selbst beibringen kann. Also natürlich nicht so von innen heraus, ohne jegliche Hilfsmittel wie das universell angeblich intelligente Internet, nur eben verzichtend auf einen Musiklehrer. Im Web stehen endlos viele How-to-learn-Videos zur Verfügung, mit denen lernen und Bratsche spielen kannst. Es gibt Apps, Tutorials, Erklär-Bär-Videos, Online-Kurse und endlos viel mehr.

Die bekannte Problematik dabei ist, dass du selbst per Video-Calls kaum die gewünschte und erforderliche Rückmeldung erhalten wirst. Online-Schulen sind eine unbedingt gute und unterstützende Bereicherung. Ob du allein damit zügig vorankommst, bleibt fraglich. Die schnellste Möglichkeit ist es noch immer, sich von einem versierten Musiklehrer unterrichten zu lassen und die Lektionen durch weitere zeitgemäße Möglichkeiten – wie eben die Online-Schulen oder anschauliche YouTube-Videos – zu erweitern.

Bratsche spielen – die Bogenbewegung

Der Bogen benötigt ein gewisses Gewicht, damit die Saite in Schwingungen versetzt werden kann. Dieses Andruckgewicht musst du bei der Gestaltung des Tons nicht nur hören, sondern spüren. Gefragt sind dein Tastsinn und dein Bewegungssinn. Du wirst den Ton im wahrsten Sinn des Wortes in die Hand nehmen. Zumal die Saiten dicker sind als bei der Violine, ist auch der Druck leicht höher, den du mit dem Bogen auf die Saite ausüben musst. Auch diesbezüglich ergibt sich also ein bratschentypisches Spielgefühl. Und klar ist: Du brauchst einen Bogen, der zu dir passt.

Auch die Bogenführung verlangt nach mehr Druck | Foto: Shutterstock von Weerayuth

Musikalische Individualisten zwischen mindestens zwei Welten

Wenn du Bratsche spielen und lernen möchtest, lässt du dich auf ein spannendes Abenteuer ein. Du beweist Eigenständigkeit und Individualität. Du wirst zum Musiker, der nicht unreflektiert mit dem Strom schwimmt. Und du positionierst dich in einer Nische, die heutzutage unbedingt gefüllt werden will. Wir wünschen dir auf deinem Weg viel Spaß, schnelle Lernerfolge und erwärmende musikalische Erlebnisse.

Und hier noch ein paar Tipps für einsteigergeeignete Bratschen:

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