Brasilianische Saiteninstrumente: Auf geht’s mit Choro, Pagode und Samba

Perlen der brasilianischen Musik

| Foto: Shutterstock von MrsPeacock

Die Krönung jedes Sambaensembles sind die typisch brasilianischen Saiteninstrumente. Sie zaubern mit enormer Harmonievielfalt diesen besonderen Klangcharakter, der die brasilianische Samba und ihre Untergenres neben den Trommeln und Percussion-Instrumenten so unverwechselbar und mitreißend macht. Lest hier mehr über brasilianische Saiteninstrumente:

Check it: Infos über typisch brasilianische Saiteninstrumente

  • Lebensfreude mit rasanten Rhythmen und Spieltechniken
  • Bandolim – die brasilianische Mandoline
  • Cavaquinho – Urmutter der Ukulele
  • Brasilianisches Banjo – aus Sound und Lautstärkegründen
  • Viola Caipira – die zehnsaitige brasilianische Gitarre
  • Violao Sete Cordas – Gitarre mit 7 Saiten für noch mehr Tonumfang

Brasilianische Saiteninstrumente zwischen traditionell und modern

Die meisten der typisch brasilianischen Saiteninstrumente haben ihre Wurzeln in Portugal, was mit der geschichtlichen Entwicklung in der Kolonialzeit zu tun hat. Vielfach ist es so, dass sie im lateinamerikanischen Brasilien in abgewandelter Form – sei es in der Bauweise oder der Stimmung – als prominente Vertreter aus unterschiedlichsten Genres nicht mehr wegzudenken sind.

Untrennbar verbunden ist das Land mit der Samba, dem Choro und mehr. Diese unfassbare Lebens- und Musikfreude ist für uns hanseatisch bis preußisch biederen Zeitgenossen ebenso schwer greifbar wie bewundernswert. Offensichtlich sind die Brasilianer musikverrückt. An der Straßen-Samba hängen dort unglaublich viele Existenzen. Brasilianische Saiteninstrumente sprechen in dieser Hinsicht eine überzeugende Sprache.

Musik- und Lebensfreude pur | Foto: pixabay von Wikinger2017

Bandolim – die brasilianische Mandoline mit spezieller Bauform

Bei der Bandolim handelt es sich um die brasilianische Mandoline. Die Instrumente sind flach und mit Zargen gebaut, wobei der Korpus fast rund gehalten ist. Klanglich ist sie meist höhenbetont und offen. In Brasilien gibt es zahlreichen Instrumentenbauer, die sich auf den Bau dieser speziellen Mandolinen spezialisiert haben. Die Bandolim ist oftmals 10-saitig, ebenso gibt es beispielsweise 8-saitige Instrumente, wobei es sich mandolinentypisch jeweils um doppelchörige Saiten handelt. Brasilianische Saiteninstrumente sind immer so speziell wie die Musik selbst.

Einer der berühmtesten brasilianischen Musiker auf diesem Instrument war Jacob do Bandolim, was allerdings nur sein Künstlername war. Und dieser Name leitet sich unmittelbar von der Mandoline ab, die nämlich auf Portugiesisch „bandolim“ heißt. Maßgeblich verantwortlich war der Mandolinist und Komponist dafür, dass dieses Instrument nicht nur als Begleit-, sondern auch als Soloinstrument anerkannt und beachtet wurde. Er hatte keine Lust, ausschließlich Begleitmusiker zu sein. Also nahm er typisch brasilianische Titel auf Platte auf, wo er als Solokünstler brillierte.

Mit der brasilianischen Laute | Foto: Shutterstock von Attapol Yiemsiriwut

Cavaquinho – die kleine Gitarre als Urmutter der Ukulele

Auch beim Cavaquinho treffen wir auf eine gute alte Bekannte, die allerdings auch auf die regionalen Besonderheiten abgestimmt ist: Dabei handelt es sich um eine kleine Form der Gitarre. Einst aus Portugal stammend hat es den Weg nach Brasilien gefunden. Tatsächlich gilt das Cavaquinho als Vorläufer der hawaiianischen Ukulele. Die Überlieferungen und Übersetzungen hinken. Wörtlich übersetzt aus dem Portugiesischen bedeutet Cavaquinho so viele wie Kleinholz oder Reisig. Das ist natürlich wenig sinnvoll. Man muss nicht für alles einen deutschen Ausdruck finden. Cavacuinho heißt in der Übersetzung Cavaquinho. 😉 … Die Ukulele wiederum wird umgangssprachlich auch als „hüpfender Frosch“ bezeichnet. Aber eine Übersetzung ist das auch nicht wirklich. Weshalb sollten brasilianische Saiteninstrumente oder auch hawaiianische grenzüberschreitend ihre Namen wechseln?

 

Der argentinische Vorgänger der Ukulele | Foto: Shutterstock von Walace Fernando

Übliche Stimmung des Cavaquinho zwischen klassisch und modern

Das Instrument klingt deutlich anders als die Ukulele. Ebenso ist die brasilianische Stimmung abweichend von der portugiesischen. Üblicherweise ist die klassische Stimmung in Brasilien d‘-g‘-h‘-d“, wodurch sie einen größeren Tonumfang als in Portugal, wo das Instrument traditionell in d“-g‘-h‘-d“ gestimmt ist, sodass bereits die untere Saite gleichermaßen hoch wie die oberste Saite ertönt.

Zudem gibt es mit d‘-g‘-h‘-e“ die sogenannte moderne Stimmung. Die wiederum entspricht der Bariton-Stimmung einer Ukulele, außerdem der Stimmung der Gitarre ohne die beiden tiefen Saiten. Wer also bereits Gitarre spielen kann, kann auf dem Cavaquinho spielen wie auf den oberen vier Saiten der Gitarre und muss sich insofern weniger umgewöhnen. Diese Stimmvarianten sind selbstverständlich nicht in Stein gemeißelt und können je nach spezifischen Vorlieben der jeweiligen Musiker variieren. Gut zu wissen, wenn du brasilianische Saiteninstrumente authentisch spielen möchtest.

Zwischen Anschlag und prägenden Virtuosen

In der Samba kommt es hauptsächlich als Harmonieinstrument, im Choro als Soloinstrument zum Einsatz. Wie nahezu jedes andere Saiteninstrument kann das Cavaquinho auch mit den Fingern angeschlagen bzw. gezupft werden. In Brasilien üblich hingegen ist das Spiel mit einem Plektrum. Auch bei diesem Instrument gab es mit dem Brasilianer Waldir Azevedo einen berühmten Virtuosen, ein rastloser Musiker, der zahlreiche Kompositionen für das Cavaquinho verfasst hat. Sein Instrumentalstück „Brasileirinho“ ist weltweit bekannt, es ist ein Stück mit einer rasant schnellen Melodie.

Reines Naturinstrument oder mit integrierter Elektronik

Bestückt ist das Instrument mit vier Stahlsaiten. Typisch ist dabei einer niedrige Saitenlage, wobei immer ein Kompromiss gefunden werden muss, damit die jeweiligen Töne nicht anfangen zu schnarren. Leicht vorstellbar, dass es das Cavaquinho sowohl als reines Naturinstrument, aber auch mit integriertem Tonabnehmersystem gibt. Brasilianische Saiteninstrumente sind meistens pragmatisch. Aufgrund der kompakten Maße kann es selbst nur eine begrenzte Lautstärke entwickeln. Oftmals muss es sich aber gegen weitere Instrumente durchsetzen, was am besten durch die Abnahme per Piezo-Pickup und entsprechend passiver oder aktiver Klangregelung funktioniert.

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Brasilianisches Banjo – aus Sound und Lautstärkegründen

Die Antwort auf diese Lautstärkeanforderungen von unverstärkten Instrumenten gibt das brasilianische Banjo. Tatsächlich ist es kaum größer als ein Cavaquinho. Typisch Banjo, klingt es allerdings aufgrund seiner speziellen Bauweise mit Resonanzfell deutlich lauter. Dabei ist der Klang mittenreich und präsent. Sowohl die Stimmung als auch die Spielweise auf dem brasilianischen Banjo sind identisch mit auf dem Cavaquinho. Das brasilianische Banjo gibt es auch in elektrifizierter Ausführung mit Tonabnehmer bzw. Tonabnehmersystem.

Viola Caipira – die zehnsaitige brasilianische Gitarre

Die Viola Caipira kann man nicht trinken und somit hat sie auch nichts mit dem Longdrink Caipirinha zu tun. Vielmehr handelt es sich um ein 10-saitiges Instrument, das allenfalls auf den ersten Blick einer klassischen Gitarre gleicht. Dieser Blick müsste allerdings sehr verschwommen sein, um die Unterschiede nicht schnellstens zu entdecken. Die brasilianische Viola ist üblicherweise  mit 10 Saiten bestückt, bei denen es sich um doppelchörige Saiten handelt. Auch unterscheidet es sich von einer klassischen Saite dadurch, dass mit Stahlsaiten anstelle von Nylonsaiten bezogen ist. Hinzu kommt, dass der Korpus etwas schlanker als der einer herkömmlichen Gitarre ist.

Die Viola Caipira ist das wichtigste Begleitinstrument in den ländlichen Regionen von Zentral- und Südbrasilien. Die Legende besagt, dass die Musik der Viola insbesondere zum Weinen bringen soll, was der Grund dafür ist, dass eine der Formen auch als Zwiebel bezeichnet wird. Frauen treibt es angeblich wie bei Schneiden einer Zwiebel in die Augen. Keinesfalls aufgrund gequälter Ohren, vielmehr sind es romantisch emotionale Tränen, aufgrund des angenehmen Klangs und der entstehenden Spannung. Dabei müssen die Emotionen sich tatsächlich ziemlich beeilen. Denn die Finger bewegen sich in teils artistischem Tempo, die Akkordfolgen, Melodien als auch die Spielweise der Anschlagshand sind häufig rasend schnell.

Das wichtigste Begleitinstrument in den ländlichen Regionen | Foto: Shutterstock von Kleber Silva

Eine Portion Magie und Aberglaube gefällig?

Zur Wahrheit gehört auch, dass in Brasilien noch Aberglaube und Magie eine Rolle spielen. Die sagenumwobenen Mythen um das Viola-Spiel existieren bis heute. So kann man angeblich um die Gunst einer giftigen Schlange werben. Es existieren zahlreiche weitere Geschichten um dieses Instrument. Vermutet wird, dass es mystifiziert wird, weil die Menschen in den ländlichen Regionen es zwar spielen, aber nicht unterrichten können.

Da macht es immer Sinn, von einem Wunder zu sprechen. Dann braucht man nicht mehr erklären, was man nicht erklären kann. Tatsache ist, dass die brasilianische Viola – obschon gitarrenähnlich gebaut – einen unverwechselbar eigenständigen Klang hat. Vermutlich ist das ausschlaggebend dafür, dass die Viola Caipira sich von der Gitarre den Rang auf der argentinischen Beliebtheitsskala nicht hat abnehmen lassen.

Violao Sete Cordas – Gitarre mit 7 Saiten für noch mehr Tonumfang

Eine weitere Gitarre ist beim Thema brasilianische Saiteninstrumente nicht wegzudenken. Dabei handelt es sich um die Violao Sete Cordas, die siebensaitige Gitarre. Hauptsächlich verwendet wird sie in der Choro- und Sambamusi, auch im Pagode. Dabei zeichnet sie sich durch ihren größeren Tonumfang als eine herkömmliche Gitarre aus.

Dafür verantwortlich ist die 7. Saite, die meistens als tiefes C unter der üblichen Gitarrenstimmung platziert ist. Nicht selten wird eine die Saite einen Halbton tiefer – auf H (B) – gestimmt, wodurch sie der einer üblichen Siebensaitigen entspricht. Im Ensemble liefert die Sete Cordas außer den Harmonien auch die typischen Basslinien, durch die diese Musik sich auszeichnet. Brasilianische Saiteninstrumente werden eben auch landestypisch gespielt.

Mit zusätzlicher Bassseite für größeren Tonumfang und Bassläufe | Foto: Shutterstock von Fred S. Pinheiro

Wie für brasilianische Saiteninstrumente nicht unüblich, werden manche der Virtuosen derart stark mit dem betreffenden Instrument assoziiert, dass sie den Namen des Instrumentes dem eigenen Namen als Pseudonym hintenanstellen. Bei der Bandolim ist das beispielsweise Jacob do Bandolim, bei der Violao gehört Dino Sete Cordas  zu den bekanntesten. Irgendwie interessant, da spielen als Jacob von Mandoline und Dino der Siebensaitige. Einerseits ist das charmant; zugleich aber ist dies ein Ausdruck für die Bedeutung der  Musik und der Musiker, die brasilianische Saiteninstrumente spielen.

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Wie Korpusformen und Bauweise sich auf Sound und Lautstärke auswirken können, zeigt auch dieser Artikel: „Korpusformen der Westerngitarre und ihre Besonderheiten“.

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