Eigentlich wolltest du Musiker werden, kein Schauspieler, Tänzer oder Akrobat. Aber jetzt soll es auf die Bühne gehen. Und was wäre ein Gig ohne die gute Portion Entertainment als Musiker? Sollst du dich jetzt zum Kasper machen? Wohl eher nicht, aber das Publikum in deinen Bann ziehen durchaus:
Check it: Mit welchen Überlegungen ihr euer Entertainment bühnentauglich macht
- Livefaktor: Ein Auftritt ist menschliche Begegnung auf Augenhöhe
- Kommunikation verbal und nonverbal
- Storytelling und Running Gags bei Ansagen
- Spontaneität trainieren und auf den Punkt bringen
- Performance einstudieren und kontrollieren
Erinnerst du dich an den Auftritt der Band, die dich und den Rest des Publikums so gelangweilt hat? Musikalisch alles sauber und kantenfrei, teilweise hochkomplex. Das war schon beachtlich. Aber die Musiker standen geradezu in Stein gemeißelt an ihrem Platz, haben sich keinen Deut bewegt und nicht mal zwischendurch einen Blick ins Publikum geworfen. Von Entertainment nix zu spüren.
Mag sein, sie waren einfach zu schüchtern oder zu konzentriert; wäre ja beides mehr als menschlich. Doch bei der Crowd kam das einfach nur als arrogant oder lustlos rüber. Resonanz aus der Menge haben sie entweder nicht zugelassen oder nicht wahrgenommen. Ende vom Lied war, dass sie den Auftritt dadurch gefühlt versemmelt haben. Das soll euch nicht passieren, aber welche Möglichkeiten habt ihr als Einsteigerband, den Auftritt mit passendem Entertainment on Stage zu pimpen?
Was die Zuschauer zum Konzert zieht
Überlegen wir doch mal gemeinsam, was die Zuschauer bei einem Auftritt beeindruckt und ihnen ein gutes Gefühl gibt. Weshalb geht man überhaupt zu einem Konzert? Egal, ob’s um Metal, Rock, Ska, Partymucke und weitere Musikrichtungen geht. Die Menschen wollen feiern, grooven, tanzen, mitgrölen und eine super Erinnerung mit nach Hause nehmen.
Und dieser Spirit, der da von der Bühne kommt, muss ein ganz anderer sein, als würde das Publikum nur vor dem Gettoblaster, dem Flatscreen oder dem CD-Player sitzen. Wichtig ist das menschlich authentische Erlebnis, gerne gespickt mit faszinierender Lightshow & Co. Dabei sind divenhafte Starallüren längst geschmolzener Schnee von gestern. Wichtig ist es, dass ihr euch als Band auf Augenhöhe mit dem Publikum begebt. Dafür dreht ihr an gleich mehreren Schrauben gleichzeitig.
Kommunikation: Storytelling mit Running Gag und rotem Faden
Einer der wichtigsten Entertainment-Faktoren ist die Kommunikation mit eurem Publikum: Unterhaltet euch mit den Leuten „da unten“. Meistens wird diesen Part die Sängerin oder der Sänger übernehmen. Gerne dürft ihr dabei auf höchst abgedroschene Phrasen verzichten. Das inflationäre „Seid ihr gut drauf?“ ist an Banalität kaum zu überbieten, selbst wenn’s manchmal noch funktioniert. Ganz ehrlich, ich kann’s nicht mehr hören.
Beispiel für Interaktion mit dem Publikum
Passender ist es, in die „Unterhaltungen“ einen humorvollen Running-Gag einzubauen, ein Bandmitglied auf die Schippe zu nehmen oder eine kurze Geschichte zu erzählen und die immer weiter auszubauen. In der schreibenden Zunft spricht man vom „Story-Telling“, eine Kunst, bei der die Pointe weder zu früh noch zu später kommt und das Interesse der Leser bei der Stange hält. Mit den Ansagen gebt ihr den Zuhörern die Möglichkeit zur Interaktion. Das Resultat: Sie fühlen sich mittendrin. So soll es sein. Beispiel gefällig?
Der Shouter erzählt am Anfang eine kurze (!) Story. Er habe gestern tief und fest geschlafen. Und plötzlich hat irgendwer zweimal in die Hände geklatscht. Und wieder und wieder und wieder. Vollkommen bescheuert, aber er habe nach jedem doppelten Klopfen lauthals „Yeah“ gebrüllt und weitergeschnarcht. Seither zweifle er an seinem Gehirn.
Mit einem intelligenten Publikum sei das sicherlich nicht möglich. Und dann klatscht er zweimal in die Hände! Das Publikum wird „Yeah“ brüllen. Noch ein grinsend-abschließendes „Wow, seid ihr bescheuert“ in Richtung Publikum geschleudert und das „Klopfen“ kann über das ganze Konzert wieder abgefeuert werden.
Die Shouter nicht allein lassen
Überlasst die Kommunikation mit dem Publikum nicht nur dem Frontmann oder der Frontfrau; selbst, wenn sie mit vollem Selbstbewusstsein die optimalen Rampensau-Qualitäten auf den Platz bringen. Auch die anderen Bandmitglieder müssen sich ums Publikum kümmern – und zwar nonverbal mit Mimik und Gestik.
Unterhalten kann man sich eben auch mit Blicken. Schaut den Menschen ins Gesicht. Seid offen, sendet positive Gesten und Vibes und empfang die Vibes. Je nachdem, welche Musik ihr macht, geht es um Sympathie, den bewussten Schockfaktor oder welche Emotion auch immer.
Spontaneität
Nicht jeder Protagonist ist mit Spontaneität gesegnet. Muss auch nicht unbedingt sein. Denn vermeintlich schlagfertige Antworten und Reaktionen lassen sich trainieren. Wenn’s nicht zu platt ist, wird das Publikum es nicht merken, dass ihr diese „kommunikativen Leitfäden“ durch den Gig, auch die letzten Male bereits genutzt habt. Weil sie einfach funktionieren.
Noch besser natürlich, wenn da wirklich jemand reaktionsschnell auf irgendwelche Aktionen in der Crowd die passenden Antworten finden kann. Das immense Vorteil, wenn ihr unmittelbar reagiert: Ihr nehmt das Publikum mit, sie sind unmittelbar bei euch und werden mit ihren Augen an euren Lippen kleben.
Performance
Die Menschen sind ganz sicher nicht gekommen, um zu bestaunen, dass ihr es beherrscht, stundenlang stocksteif stillzuhalten. Ein bisschen Bewegung gehört schon dazu. Gerade die Instrumentalisten haben bei der Performance natürlich ein Problem. Verlangt wird von Ihnen, dass sie sich bewegen. Auf der Kehrseite der Medaille steht, dass die Parts auf dem Instrument sicher abgeliefert werden müssen. Zwei Aspekte, die sich durchaus widersprechen. Und hier kommt die gute Nachricht:
Wir sprechen nicht von einer ausgearbeiteten Choreografie. Hätte vermutlich keiner Lust drauf; außerdem passt das wahrscheinlich gar nicht zu eurer Art von Musik. Es sind oft winzige Kleinigkeiten, die ihr zum richtigen Zeitpunkt in den Auftritt einbinden könnt. Bereits ein gemeinsamer Ausfallschritt der Band signalisiert dem Publikum, dass ihr weder eingeschlafen seid noch zu den notorischen Langweilern gehört.
Kein Grund für Übertreigungen
Aber wo fangen Entertainment und Performance an und wo dürfen sie gerne aufhören? Schuster bleib bei deinem Leisten. Es muss einfach passen. Ich müsst keinesfalls mit dem Hubschrauber in die Dorf-Location einfliegen, braucht auch nicht am Trapez kurz unter der Saaldecke taumeln oder die erste Mondlandung nachstellen.
Es genügt vollkommen, wenn ihr euch diese Überlegung vor Augen haltet: Nicht das Publikum ist dafür verantwortlich, euch anzutreiben. Es ist eure Aufgabe. Den Gästen müsst ihr immer den entscheidenden Schritt voraus sein und ihnen wohldosiert die „kommunikativen Strohhalme“ zuwerfen.
Logo: In die klassische Konzertaufführung setzen Menschen sich, um sich möglichst niveauvoll unterhalten zu lassen. Still und stumm sitzen sie dort, lauschen konzentriert der Musik und verfolgen die Dramaturgie des Abends. Jedes kleine Husten wird mit peinlich berührten Blicken kommentiert. Schweigen ist Gold, quasseln verboten. Okay, das ist also die Abteilung, um die wir uns mit unseren Überlegungen nicht kümmern müssen.