Besonders talentierte Kids werden gerne als Wunderkinder bezeichnet. Es ist und bleibt eine fragwürdige Angelegenheit. Die hochbegabten Kids heizen die Verkaufszahlen der Musikindustrie an, oftmals angespornt bis getrieben von ihren stolzen Eltern. Überlegen sollte man nicht, was das Attribut Wunderkind überhaupt bedeutet, welchen Sinn es hat, was es mit den so bezeichneten Kids macht und wie man den Nachwuchs vernünftig fördert:
Check it: Musikalische Wunderkinder und die verlorene Kindheit
- Beispiele von Pop bis Klassik und K-Pop
- Kinder fördern, nicht überfordern
- Negative Kehrseite des Wunderkind-Stempels
- Wenn Kindsein zum Anspruchsdenken wird
- Elterliche Verantwortung und die goldene Mitte
Musikalische Wunderkinder und ihre individuellen Schicksale
Es gibt zahlreiche prominente Beispiele von Kids und späteren Superstars, deren Talent frühzeitig erkannt und behutsam gefördert wurde. Kinder, die in jüngstem Alter schon erahnen ließen, welche Fähigkeiten sie eines Tages am Instrument, als Komponisten oder als musikalisches Gesamtkunstwerk entwickeln würden. Manchen scheinen die außergewöhnlichen Anlagen in die Wiege gelegt. Andere sind vielleicht in einer Musikerfamilie aufgewachsen und sind durch die Tätigkeit ihrer Eltern sehr früh mit der Musik in Berührung gekommen. Die Eltern haben keinen Druck gemacht, die Kinder lediglich angeleitet.
Michael Jackson wurde gnadenlos zum Wunderkind getrimmt
Dann wiederum gibt es musikalische Wunderkinder, die von ihren Eltern zu Höchstleistungen angetrieben wurden und letztlich seelisch daran zerbrachen. So galt etwa Michael Jackson als musikalisches Wunderkind, der sich sein Schicksal jedoch nicht selbst ausgesucht hatte. Von frühester Kindheit an wurde er von seinem Vater Joe Jackson gedrillt. Eisern und brutal, gnaden- und lieblos. Wenn Michael nicht spurte oder sich gar einen Fehler erlaubte. Kriegte er eins mit dem Gürtel oder einer Gerte übergezogen.
Er selbst erzählte, der Bad Daddy habe ihm die Kindheit gestohlen. Auch die Brüder trugen nicht gerade zum Selbstwertgefühl von Michael bei. Sie waren eifersüchtig auf den kleinen Überflieger, hänselten ihn wegen seiner breiten Afro-Nase und seiner Akne. Die bizarren Resultate der zahlreichen Schönheitsoperationen sorgten in der Öffentlichkeit für breite Diskussionen. Michael wurde zur musikalischen Ikone, seelisch zum bedauernswerten Verlierer. Der Vater hatte den „King of Pop“ mit beispiellosem Ehrgeiz zum Erfolg geprügelt. Verantwortungsvolle Förderung schreibt sich definitiv anders.
Beethoven von seinem Vater sogar zwei Jahre jünger gemacht
Auch im klassischen Genre ist immer wieder die Rede von Wunderkindern. Kids, die teilweise im Alter von zarten vier oder fünf Jahren wegen ihres hochgradigen Talents auf die Öffentlichkeit losgelassen werden. Der überbordende Ehrgeiz der Eltern ist dabei unübersehbar, mit teils kuriosen Auswüchsen.
Zwar streng, aber keinesfalls brutal wurde Ludwig van Beethoven aufgezogen. Sein Vater machte ihn sogar zwei Jahre jünger, um ihn als Wunderkind zu vermarkten. Glücklicherweise ist ihm das nicht gelungen. Stattdessen gab es in seinem Umfeld ihm wohlgesonnene Menschen, die ihn behutsam förderten.
Mit dann gereifter Persönlichkeit präsentierte er der musikalischen Welt sein kompositorisches Genie. Bis dahin hatte er nicht nur sein Können perfektioniert, sondern auch diese wichtige Fähigkeit gelernt mit Misserfolgen umzugehen und somit nicht an kindlicher Überforderung und Selbstzweifeln zu zerbrechen.
Das unfassbare Talent war selbstverständlich im jüngsten Kindesalter bereits vorhanden. Doch die Kompositionsperlen, die Beethoven der Welt hinterlassen hat, sind erst später entstanden und dann auch noch vielfach perfektioniert worden. Glücklicherweise hatte er es geschafft, sich dem Stempel Wunderkind nicht zu ergeben.
Die Stars des K-Pop mit unsagbaren Verträgen geknebelt
Eine gigantische Fangemeinde haben aktuell die K-Pop-Bands. Die Boygroups aus Korea, allen voran BTS, die beispielsweise auf YouTube einen Klickrekord nach dem anderen brechen, werden in frühester Kindheit gecastet. Dann werden sie konsequent und nahezu pausenlos in sämtlichen notwendigen Disziplinen wie Gesang und Tanz unterrichtet, wobei man eher von einem staatlich verordneten Drill ausgehen darf.
Äußerst frühzeitig werden die Kinder per Vertrag an die Musiklabels gebunden. In den Verträgen finden sich teils abstruse Vorgaben, die von den Musikern zwingend eingehalten werden müssen. So beispielsweise zum Gewicht, zu durchzuführenden Schönheitseingriffen oder dazu, dass sie keine Liebesbeziehungen oder Partnerinnen haben dürfen, um das Image bei den Fans nicht zu schädigen. Ein normales Leben ist nicht mehr vorhanden, etliche der musikalischen Wunderkinder des K-Pop sind suizidgefährdet. Verbleibt die Frage, wie Kinder und Jugendliche diesen immensen Druck verkraften sollen.
Die musikalischen Ziele sollten freie Kindesentscheidung sein
Musizieren gehört zunächst zu den schönsten und kreativsten Hobbys überhaupt. Unserer Meinung nach eindeutig eines, das Kinder aus freien Stücken ergreifen sollten, so sie denn überhaupt Lust dazu haben. Absolute Grundvoraussetzung ist, dass die Kids davon fasziniert sind, sich selbst mit dem Instrument und der Musik, die sie darauf spielen können, identifizieren können. Und dann geht es nicht um höher, schneller, weiter.
Negative Kehrseite des Wunderkind-Stempels
Vielmehr wichtig ist es, Talente vorsichtig zu fördern und auch bei verständlicher elterlicher Hoffnung den Musikschülern keinen heroischen Wunderkind-Stempel aufzudrücken. In den seltensten Fällen ist das für die Kids eine erstrebenswerte Auszeichnung. Weitaus häufiger empfinden sie diese Bezeichnung als Bürde, als eine schwer zu tragende und ertragende Last, sogar als Makel.
Das menschliche Problem: Überflieger sind oftmals ausgegrenzt
Manche förderfreudig strengen Eltern mögen diese Einstellung als nicht zu verstehendes Phänomen bezeichnen. Einige definieren sich selbst sogar über das Talent ihrer Kinder, wodurch es zum Statussymbol wird. Dabei ist der Wunsch der Kids nach Normalität aus anderen Bereichen bekannt, in denen Hochbegabungen per IQ-Test festgestellt werden. Die meisten der Kids mit spezieller Begabung wollen vor allem dazugehören, Freunde haben und beispielsweise in der Schule nicht als nervende Überflieger ausgegrenzt werden.
Talent zu besitzen, ist allenfalls eine winzige Kehrseite der Medaille. Das behütete Erleben der Kindheit, der gefestigte Charakter, die Entwicklung des Selbstbewusstseins, Urvertrauens und vieler weiterer Facetten stehen auf der anderen Seite. Und all diese Facetten dürfen verantwortliche Eltern für einen zweifelhaften frühkindlichen Ruhm nicht ausblenden.
Lieber zum gefestigten Wunder-Erwachsenen werden
Auch ein talentiertes Kind mit dem Potenzial zum musikalischen Genie wird sein Können Schritt für Schritt entwickeln müssen. Dabei benötigt es Herausforderungen, aber vor allem die innere Ausgeglichenheit, seinen Weg muss es gehen dürfen, ohne dabei ständig den realen oder unterschwelligen Druck zu spüren, etwas Außergewöhnliches leisten zu müssen.
Die goldene Mitte zwischen fördern und überfordern
Und wie so oft liegt auch der richtige Umgang mit Talenten in der goldenen Mitte. Musik ist eine super Sache und fördert die Entwicklung der Kinder. Die Kids lernen leichter zu sprechen, sich rhythmisch zu bewegen. Die kognitiven als auch feinmotorischen Fähigkeiten werden sensibilisiert und gesteigert und vieles mehr.
Dabei allemal sinnvoll ist es allerdings, die Musik zunächst als schönes Hobby, gewissermaßen als Breitensport zu verstehen. Sicherlich sind die Wunderkinder bewundernswert, gleichzeitig aber oftmals keineswegs zu beneiden. Wenn die geborgene Kindheit auf der Strecke bleibt, kann das nicht der Sinn des Kindseins sein.
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Vorbildliche frühkindliche Förderung kann auch mit Percussion-Instrumenten erfolgen. Ein gutes Beispiel dafür ist der „Drum-Circle in der Kita“.