Es herrscht Verwirrung bis Uneinigkeit. Die Frage: Muss man neue Musikinstrumente einspielen? Musiker und Instrumentenbauer sind sich ziemlich einig, dass sich der wirklich optimale Klang erst im Laufe der Zeit entwickelt. Tatsache, These oder Mythos? Wir begeben uns auf die Spur zwischen Subjektivität und belegbaren Fakten. Vielleicht wird’s auch ein wenig philosophisch:
Check it: Musikinstrumente einspielen
- Hauptsächlich Holzinstrumente werden eingespielt
- Am Beispiel der Gitarre
- Streicher und Holzblasinstrumente
- Mythos Altersperfektion
- Gut, weil alt oder alt, weil gut
- Subjektivität und Unterbewusstsein
Musikinstrumente einspielen: Es geht hauptsächlich um Holz
Für die meisten unter uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir Musikinstrumente einspielen müssen und sich erst dadurch die gesamte Klangvielfalt ausbreiten kann. Das Thema betrifft nicht nur die Saiteninstrumente von Gitarre bis zu den Streichern. Stattdessen auch beispielsweise die Blasinstrumente, insbesondere die Holzblasinstrumente. Exakt damit sind wir beim Thema.
Hauptsächlich sprechen wir von jenen Kandidaten, die aus Holz gefertigt sind. Und auch elektrische Gitarren und Bässe bestehen üblicherweise aus diesem Werkstoff aus der Natur, nur eben mit einem Haufen elektrischer Bauteile garniert. Und schon mal darüber nachgedacht, dass auch ein Konzertflügel oder eine gigantische Konzertharfe aus Holz besteht?
Instrumentengruppen unterschiedlich betrachten
Wollen wir uns an einer Antwort versuchen, müssen wir nach Instrumentengruppen unterscheiden. Besonders hinsichtlich des Materials. Ein Instrument aus Holz wie die Geige oder Akustikgitarre hat grundlegend andere Voraussetzungen als etwa ein Instrument aus Metall oder sonstigen Materialien. Und die Geschichte mit den elektronischen Kameraden wie Keyboard und Synthie ist dann nochmal ein sehr spezifisches Thema.
Akustische Gitarren – wenn das Holz ordentlich durchgeschüttelt wird
Einspielen wird auch als Einschwingen bezeichnet. Ein gutes Beispiel dafür liefern uns die akustischen Gitarren. Insbesondere bei den Akustik-Kandidaten stehen zwei Holzarten im Mittelpunkt des Geschehens. Die prominentesten Vertreter, wenn wir davon reden, dass wir Musikinstrumente einspielen müssen, sind Akustikgitarren mit Fichtendecke und solche mit Zederndecke.
Die Langzeit-Kandidaten: Gitarren mit Fichtendecke
Bei Gitarren mit Fichtendecke verändert sich die Klangeigenschaften über Wochen und Monate hinweg. Mitverantwortlich dafür sind die im Holz vorhandenen Harze und Poren und die Holzstruktur, außerdem die geleimten Stellen. Bei regelmäßigem Spielen wird eine Akustik lauter, klingt voluminöser, offener und beginnt zu atmen. Durch die Schwingungen lösen sich Verspannungen.
Die Gitarren haben es nicht etwa im Kreuz, stattdessen entstehen Spannungen während der Herstellung, die sich vergleichbar mit einer Massage in minimalen Facetten lösen lassen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Gibson G-45 Studio Antique Natural mit massiver Fichtendecke. Zu finden auf dieser Produktseite auf thomann.de.
Unterschiedliche Einspielzeiten aufgrund anderer Holzstruktur
Dasselbe gilt für Gitarren mit Zederndecke. Allerdings weist diese Holzart eine andere Struktur auf. Die Einspielzeit ist deshalb geringer; die Klangeigenschaften der Zederndecke verändern sich weniger massiv als bei einem Instrument mit Fichtendecke. Möchtest du solche Instrumente einspielen, kannst du bei einer Zederndecke von einer etwa einjährigen Einspielzeit ausgehen, bei einer Fichtendecke von ca. 5 Jahren. Es gibt allerdings mittlerweile auch Verfahren, mit denen die Hölzer künstlich gealtert werden. Die Zeit des Einspielens wird dadurch deutlich verkürzt.
Eine Marke, die typischerweise häufig auf Instrumente mit Zederndecke setzt, ist der Hersteller Takamine. So beispielsweise mit der bewährten Takamine P1DC, einer Dreadnought mit Cutaway. Für einen besseren Eindruck schau einfach mal auf diese Produktseite auf thomann.de.
Aus der Abteilung hustende Flöhe und wachsendes Gras
Zuweilen trifft man auch auf die Aussage, die Tonarten bzw. müssten alle einzeln eingespielt werden, um wirklich den kompletten Tonraum inklusive der Obertöne abzubilden. Vielleicht gibt es Menschen, die noch mehr als das Gras wachsen oder die Flöhe husten hören. Vielleicht einigen wir uns darauf, dass wir uns mit dieser These der Grenze zur Esoterik haarscharf nähern. Lasst es uns nicht übertreiben.
Streicher: Was gewollte Beschädigungen mit perfektem Klang zu tun haben
Nach demselben Prinzip verhält sich das bei Streichinstrumenten wie Violine, Cello, Kontrabass & Co. Möchtest du diese Musikinstrumente einspielen, hat das mindestens die gleichhohe Bedeutung wie bei den zuvor genannten Kandidaten. Gleichermaßen geht es um Faktoren wie die strukturschwächenden Leimverbindungen, wodurch den Vibrationen und Schwingungen mehr Freiraum bereitsteht, die Materialermüdung des Holzes und die Kristallisation des Harzes.
Vergessen wir nicht, dass Zellulose die Hauptkomponente von Holz ist. Und wie die auf Feuchtigkeit reagiert, ist wohl jedem bewusst. Leicht nachvollziehbar, dass sich die äußeren Einflüsse ebenso auf den Klang auswirken. Positiv oder negativ. Was beim Einspielen geschieht ist – wenigstens in der grauen Theorie – nichts Geringeres als eine Beschädigung der Zellstruktur. Die wird gehörig durcheinandergewirbelt. Und das sorgt dafür, um es mit nichtwissenschaftlichen Worten auszudrücken, dass das Instrument besser schwingen kann. Auch hier ein Prozess, der sich über Jahre zieht.
Pragmatisch betrachtet: Wo das Einspielen unbedingt Sinn macht
Manche Instrumente müssen vorsichtig eingespielt werden, um Beschädigungen zu vermeiden. So bei aus Holz gefertigten Klarinetten. Holzblasinstrumente haben mit der Feuchtigkeit der Anblasluft zu kämpfen. Damit keine Rissbildung entsteht, ist es sinnvoll, in den ersten beiden Wochen allenfalls eine halbe Stunde pro Tag zu spielen, damit das Holz des Korpus sich an die beim Blasen entstehende Feuchtigkeit und Wärme gewöhnt. Nach etwa zwei bis drei Wochen kann die Spieldauer – die Belastung der Klarinette – stückweise gesteigert werden.
Üblicherweise werden Klarinetten aus Grenadille-Holz gefertigt. Ein sehr hartes Material, das sorgsam eingespielt werden muss. Ein Beispiel dafür findest du mit der Buffet Crampon E-13 Bb-Klarinette 17/6 auf dieser Produktseite auf thomann.de.
Letztlich ist dieses vorsichtige Herantasten an den belastbaren Betriebszustand eine Vorsichtsmaßnahme. Hohe Bedeutung bei dieser Vorsicht – und zwar auf Dauer – hat die richtige Pflege, das Entfernen von Feuchtigkeit und das Vermeiden von Temperaturschwankungen und zu trockener oder zu feuchter Raumluft. Holz ist nun mal ein arbeitendes Material direkt aus der Natur. Und beispielsweise die Polster wollen auch regelmäßig trockengelegt werden. Mit der eigentlichen Thematik, ob wir Musikinstrumente einspielen müssen, hat dieser Aspekt wenig zu tun. Allerdings nur auf den ersten Blick. Denn:
Nur bei perfekten Rahmenbedingungen vergleichbar
Dass das Einspielen von Instrumenten langfristig positive und vergleichbare Klangverbesserungen zeigt, setzt zwingend die absolut perfekte Pflege und Aufbewahrung voraus. Wird die Gitarre oder das Holzblasinstrument gewissenhaft penibel eingespielt, dann aber unter ungünstigen Bedingungen neben die wild blähende Heizung gestellt, ist das der Garaus für das Instrument. Wenn wir Musikinstrumente sorgfältig einspielen, jedoch nicht vorbildlich pflegen und reinigen, hängt sich damit jede These an der nächstgelegenen Ampel auf. Die steht dann unmissverständlich auf Rot.
Ältere Instrumente klanglich besser als neue?
Tatsache bleibt: Gealtertes Holz reagiert weniger stark auf Feuchtigkeitsschwankungen. Dass das zur mechanischen und akustischen Stabilität beiträgt, gehört zu den Gründen, weshalb beim Bau von hochwertigen Instrumenten üblicherweise Hölzer zum Einsatz kommen, die über lange Jahre gelagert worden sind. Interessant in dem Zusammenhang, dass man diese Veränderungen aufgrund des Alters auch wieder umkehren kann.
Das will sagen: Die positiven Eigenschaften aus der hölzernen Seniorenabteilung können durch verkehrte Lagerung bei zu feuchten, zu trockenen, kühlen oder konträr heißen Bedienungen locker wieder zerstört werden. Und auch in dieser Hinsicht können wir sagen: Ja, ältere Instrumente können besser klingen als neue. Wenn sie das tun, hat das allerdings weniger mit dem Alter als mit anderen Faktoren zu tun.
Bedeutung von Pflege und Wartung: Der Allgemeinzustand
Wie erwähnt, zieht sich das Einspielen über einen langen Zeitraum. Und in dieser Zeitspanne können die Instrumente nicht nur besser, sondern aufgrund der Beanspruchung auch überholungsbedürftig bis definitiv schlechter werden. Zum Beispiel das Griffbrett einer Gitarre wird gefühlt beim Spielen immer geschmeidiger, wobei der Ausdruck „gefühlt“ hier ganz bewusst gewählt worden ist.
Tatsache aber bleibt, dass es im Laufe der Zeit selbst bei bester Pflege leiden wird. Nun könnten wir das so darstellen, als werde das Griffbrett mitsamt Bespielbarkeit schlechter. Das anderen und aus werblichen Aspekten sicherlich lieber verwendete Statement wäre: Die Gitarre hat sich auf den Gitarristen eingestellt.
Nicht gut, weil alt, sondern alt, weil gut
Hänsel und Gretel hätten das Ammenmärchen nicht besser verbreiten können als die geneigte Vintage-Szene, dass Instrumente wie E-Gitarren automatisch besser klingen. In den Geburtsjahren von elektrischen Gitarren und Bässen beispielsweise waren die Pioniere damit beschäftigt, die Bauweise und Möglichkeiten kontinuierlich zu verbessern. Und genau an diesem Punkt drängt sich eine nachvollziehbare Logik auf: Was schrittweise immer optimiert und verbessert wird, kann im Anfangsstadium nicht perfekt sein. Andernfalls wäre die Verbesserung unnötig, sinnlos, kontraproduktiv. Ein Instrument ist nicht automatisch gut, weil es alt ist. Aber es könnte sein, dass es so alt geworden ist, weil es gut ist.
Subjektives Empfinden siegt über emotionslose Fakten – ein fließender Prozess
Prüfen wir doch mal die Kriterien auf Sinn und Aussagekraft, die uns dazu bewegen den Klang eines Instrumentes als besser zu bewerten. Und vor allem die Frage, für welche Aspekte das Instrument selbst verantwortlich ist. Welchen Einfluss hat es, wenn neue Musikinstrumente eingespielt werden? Unbestrittene Tatsache ist, dass mit dem Werkstoff Holz pfleglich und behutsam umgegangen werden muss, erst recht im bearbeiteten Zustand. Das betrifft Saiten- und Holzblasinstrumente gleichermaßen.
Das Unterbewusstsein als treuer Begleiter der individuellen Wahrnehmung
Nicht weniger bedeutend ist, dass die Musiker sich im Laufe der Zeit auf ihren Instrumenten immer mehr zu Hause fühlen. Die Feinmotorik stellt sich auf die Dimensionen, die Haptik und das Klangverhalten des Instrumentes ein. Es entsteht eine angenehm innige Beziehung zwischen Musiker und Instrument. Mit ausgeglichenem Wohlbefinden spielt es sich definitiv besser und klangüberzeugender, was zu entsprechend überzeugenden Resultaten führt. Das Unterbewusstsein ist eben doch hilfreich. Auch hier sehen wir deutlich: Wenn wir Musikinstrumente einspielen, ist das wichtig, stellt allerdings nur einen winzigen Teil des großen Ganzen dar.
Wenn wir glauben, was wir fühlen, ist das ideal
Wirklich belastbare Fakten dafür, dass man neue Musikinstrumente einspielen muss, gibt es aus akustischer Perspektive wenig. Aus subjektiver Sicht hingegen eine ganze Menge. Das große Fragezeichen lässt sich kaum wirklich auflösen, wenn wir ein Instrument einspielen. Spielen wir das Instrument ein oder eher uns selbst? Wissenschaftliche Studien, die mit streng experimentellen Methoden einen kausalen Zusammenhang bestätigen, gibt es nicht. Aber wenn wir glauben, was wir fühlen, ist das mehr als genug.
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Die Klarinette gehört zu den Kandidaten, die aus unterschiedlichsten Gründen sorgfältig eingespielt werden müssen. Aber ab wann kann man mit dem Instrument beginnen? Hier unser Artikel zum Thema: „Klarinette ab welchem Alter? Wann die Kids sinnvollerweise beginnen“.