Die Zeit, als Künstler mit Platten-, CD- oder sonstigen Tonträgerverkäufen noch vernünftiges Geld verdienen konnten, sind lange vorbei. Dafür gibt es zahlreiche Gründe und ausnahmsweise ist Corona daran mal nicht schuld. Spätestens seit die Streaming-Dienste mit ihren Dumping-Preisen die Welt bewuchern, ist den Musikern eine wichtige Einnahmequelle weggebrochen. Nicht zu vergessen, dass die Publikumserwartung an die Shows immer höher und somit kostspieliger wird. Preise für Live-Konzerte erreichen ein nicht mehr fassbares Niveau. Aber weshalb?
Check it: Preise für Live-Konzerte – überzogen oder nicht?
- Tonträgerverkäufe fangen Tour-Kosten nicht auf
- Gigantomanie hat immer ihren Preis
- Risiko, die Fans zu verlieren
- Kontrast zu denen, die sich den Hintern abspielen
- Die gesamte Peripherie muss versorgt werden
- Und dann kam Corona
- Schmerzgrenze lieber nicht überschreiten
Preise für Live-Konzerte kaum noch vermittelbar
Das Live-Geschäft ist für viele Künstler zu einem ihrer wichtigsten Standbeine schlechthin geworden. Vollkommen anders als früher sind die Tourneen keine Promo-Touren mehr, bei denen die Eintrittskarten zurückhaltender kalkuliert werden konnten. Außer den Bekanntheitsgrad der Bands und Solokünstler zu steigern, war der Sinn der Tourneen noch vor wenigen Jahren, die Verkäufe der Tonträger anzukurbeln, was in den meisten Fällen auch gelang. Somit konnte man eine Mischkalkulation fahren, was für die Künstler, Veranstalter, Produktionsfirmen und Fans gleichermaßen eine vielzitierte Win-Win-Situation war.
Allgegenwärtige Gigantomanie hat nun mal ihren Preis
Die Produktionskosten steigen ins Unermessliche, zumal die Publikumserwartungen an die Gigantomanie der Shows ebenso keine Grenzen mehr kennt. Schon vor Jahren ließen sich Stars mit dem Hubschrauber in die Konzertarenen fliegen. Die Bühnenkonstruktionen werden immer komplexer und verschlingen inklusive Video-Walls und Co. nicht selten Millionenbeträge in zweistelliger Höhe. Häufig kommen gleich mehrere 40-Tonner mit Bühnenausstattung und Equipment angerauscht.
Die Messlatte wird immer höher gesetzt – ein Perpetuum Mobile
Die Bühne ist mittlerweile keine Bühne mehr. Vielmehr wird sie zur riesigen Bühnenkonstruktion mit etlichen externen Elementen wie geflogenen Laufstegen, wodurch die Stars plötzlich über ihren Fans schweben und sie allseits sichtbar von oben anheizen. Die Light-Show wird geradezu zum Selbstzweck, wobei man sich bei manchen Pyro-Orgien vielleicht eher in den Schützengraben verkriechen sollte. Nicht zu bestreiten ist, dass die Musik selbst in den Hintergrund gerät und bei jeder neuen Show noch ein paar mehr unfassbare Briketts auf die immer höhere Messlatte gepackt werden.
Eine klassische Schraube der selbsterfüllenden Prophezeiung
Stellt man sich die Frage, wer für diese Auswüchse und somit die Preise für Live-Konzerte verantwortlich ist, kann man eigentlich nur zu der durchaus kuriosen Antwort kommen: Keiner oder alle. Die Sucht nach Perfektion, nach dem ewigen Höher, Schneller, Weiter leben Konzertgänger und Show-Acts sich gegenseitig vor. Die nächste Show muss immer noch besser und unerreichter sein, als die letzte.
Die Künstler wollen die Erwartungen erfüllen; die Fans wollen – angeblich – immer mehr beeindruckt werden. Irgendwann bemerkt man, dass das irgendwie bezahlt werden muss und die Veranstalter nicht von der Heilsarmee kommen, sondern wirtschaftlich arbeiten müssen. Tatsächlich ist das eine klassische Schraube der selbsterfüllenden Prophezeiung.
Das Risiko bleibt, die Augenhöhe zu den Fans zu verlieren
Zumal die Finanzierung über den Tonträgerverkauf nicht mehr wenigstens teilweise abgedeckt ist, bleibt den Künstler nur die Möglichkeit die Kosten über die Ticktes, also höhere Preise für Livekonzerte wieder reinzuholen. Man könnte also behaupten, die Konzertgänger seien aufgrund ihrer eigenen Erwartungshaltung und andererseits ihres Streaming-Verhaltens selber schuld.
Mag sein, aber das ändert nichts an der realen Situation. Und eigentlich sollten doch beide Seiten daran interessiert sein, dass die Fans die Shows der Fans erleben können. Aber eine Rückkehr zur Normalität ist nicht erkennbar.
Preisexplosion der Tickets ist keine Pandemieentwicklung
Dass die Preise für Konzerttickets mittlerweile ein schwindelerregendes Niveau erreicht haben, ist übrigens keine Entwicklung der Pandemiejahre. Um über die aufgerufenen Kurse zu staunen, können wir locker mal über den Zeitraum von rund zehn Jahren zurückblicken. Bei manchen fragte man sich schon länger, ob Sie den Boden unter den Füßen oder die Nähe zu ihren Fans nun endgültig verloren haben. Allen voran eine Band, der man das niemals zugetraut hätte.
Rolling Stones – Spitzenreiter der Ticketpreise
An der Spitze die Rolling Stones. Bei einem Konzert im Dezember 2012 in Newark durften die Fans schlappe 853 US-Doller für ein Ticken hinlegen. Und nein, das Konzert fand nicht vor leerem Auditorium statt. Es wurde sogar noch ein Folgetermin angesetzt. Es war der höchste Preism der bis dahin für ein Konzertticket verlangt wurde.
Vielleicht ist es nicht unbedingt verwunderlich, dass gerade die Stones diesen Rekordpreis angesetzt haben. Möglicherweise wollten sie nochmal ins Guinness-Buch der Rekorde. Wahrscheinlich ist, dass Jagger und Co. ihren finanziellen Spürsinn ein wenig schamlos ausgenutzt haben. Das Vermögen von Mick Jagger wird auf rund 350 Millionen Euro und höher geschätzt.
„Moderate“ Preise für Live-Konzerte von Mr. Piano Man
Schon beinahe moderat erscheinen da die 343 US-Dollar, die man etwa ein Jahr später bezahlen musste, um Billy Joel in New York live erleben zu dürfen. Niemand kann und will in Abrede stellen, dass Mr. Piano Man solche Preise wert ist. Nur verbleibt die Frage, wer sich das noch leisten kann. Und ob man damit nur noch vor elitären gutbetuchten Fans spielen will.
Kann auch sein, dass man sich keine Vorstellung davon macht, dass die normalen Menschen von nebenan sich die Eintrittspreise von ihrem geringen Verdienst absparen. Wird damit die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer? Wird Kultur für viele nicht mehr erlebbar, ohne dass der Kühlschrank leerbleibt?
Madonna – von Bescheidenheit keine Spur
Madonna reiht sich erst recht nicht in der Fairness-Abteilung der Preise für Livekonzert ein. Wer eine Show ihrer Konzert-Tour 2021/2022 erleben wollte, konnte das günstigste Ticket ab 500 Euro bekommen oder für die VIP-Tickets locker mal bis zu 1.400 Euro ausgeben. Die Diva sieht darin kein Problem und verkündet stattdessen. „(…) Arbeit das ganze Jahr, kratzt euer Geld zusammen und kommt zu meiner Show. Ich bin es wert.“ Wir sind gespannt, ob die Konzerte überhaupt irgendwann stattfinden können.
Wird die Kuh gemolken, solange sie noch lebt?
Die Preise im Konzertgeschäft sind insbesondere bei den großen internationalen Stars außer Rand und Band geraten. Allerdings, selbst für Eintrittskarten bei den Bands, die nicht unbedingt zu den Top 10 gehören, legt man für Plätze, bei denen man nicht mal freie Sicht auf die Bühne hat 60 Euro und mehr hin. Und zieht anschließend mit enttäuschter Miene wieder ab, weil die Show zwangsläufig ein ziemlich halbherziges Erlebnis war.
Wollen die Bands und Veranstalter die Fans vor den Kopf stoßen oder die Kuh ausgiebig melken, solange sie noch lebt? Bei vielen Fans haben die Ticketpreise längst die Schmerzgrenze überschritten. Glücklicherweise gibt es noch Künstler wie etwa Udo Lindenberg, die nicht ganz so rabiat zugreifen.
Kontrast zu denen, die sich den Hinter abspielen
Die Problematik dabei ist, dass sich weniger prominente Musiker zeitgleich den Hintern abspielen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Immerhin sind die Live-Auftritte ihr Lebensunterhalt. Ist man nicht unterwegs, sieht es mau bis dramatisch aus. Die Show muss weitergehen, die Karawane muss weiterziehen.
Und letztlich ist es wie das das allseits bekannte Umfallen der Dominosteine oder wie das zusammenbrechende Kartenhaus. Denn die durchzusetzenden oder eben nicht durchzusetzenden Preise für Live-Konzerte betreffen nicht nur die Musiker selbst.
Die gesamte Peripherie und die Crew muss bezahlt werden
Bei nicht vorhandenen oder allenfalls homöopathischen Tonträgerverkaufen müssen ausschließlich durch die Auftritte auch die Crew-Mitglieder bezahlt werden. Und das betrifft auch bei kleineren Acts die gesamte Peripherie vom Veranstaltungstechniker über die Hands bis zum FOH-, Light-Operator und mehr. Und allesamt haben Familien, die versorgt werden wollen.
Die ganz alltäglichen Kosten werden immer höher, wir befinden uns gegenwärtig bei einer Inflationsrate von um die 5,5 Prozent. Auch dadurch werden die Preise für Live-Konzerte in die Höhe getrieben. Realistisch betrachtet, musste man sich aber schon lange fragen, ab welcher Schmerzgrenze die Fans schlichtweg nicht mehr kommen.
Und dann kam Corona – eine geisterhafte Stille machte sich breit
Und dann kam Corona. Nicht nur die Event-Branche stand still. Das inzwischen wichtigste Standbein der Künstler durfte nicht mehr laufen. Ebenso wie beispielsweise Messen wurden Konzerte erst reihenweise mit der Hoffnung auf das nächste Jahr verschoben, dann wieder verschoben, dann abgesagt.
Zwischenzeitlich wurden europaweit immer mal wieder Konzerte mit Publikum als Testballons gestartet. Doch die Unsicherheit blieb. Seit Anbeginn der COVID19-Pandemie war und ist die Event-Branche deshalb besonders stark betroffen, weil sie nach dem Prinzip „first in – last out“ die erste war, bei der die Türen geschlossen wurden.
Konzert-Tickets sind keine Lotteriescheine
Als in den Sommermonaten beispielsweise die brachliegende Gastronomie schrittweise wieder öffnen konnte, wurden vielerorts die Preise angezogen. Gewissermaßen versuchte man, den während der Lockdowns entstandenen Verlust durch höhere Preise wieder auszugleichen. Ein etwas unglücklicher Versuch, zumal ja so ziemlich alle Menschen ums finanzielle Überleben kämpften und weniger Geld in der Tasche hatten und haben.
Analog dazu kann man schon jetzt zumindest vermuten, wenn nicht gar prognostizieren, dass die Preise für Live-Konzerte gleichermaßen steigen müssen. Immerhin sind sie nichts Geringeres als der Lebensunterhalt der Künstler und der gesamten Crew. Erst recht dann, wenn die nicht wie Jagger & Co. in Millionenvermögen schweben.
Zeit kann man weder aufholen noch sparen
Auch kommen die normalen Event-Locations aufgrund der geringen Auslastung an ihre Grenzen. Das Publikum ist verunsichert. Viele bleiben lieber zu Hause, als sich in geschlossenen Veranstaltungshäusern eine Infektion einzufangen. Teils werden die Locations schon mit Statisten oder eingeladenen Freunden wenigstens bis zur erlaubten Gästezahl gefüllt.
Diese bei Groß- und Kleinveranstalter anfallenden Verluste wird man keineswegs durch künftig höhere Preise für Live-Konzerte wieder ausgleichen können. Jeder umsatzschwache Tag ist einfach gelaufen. Und bei aller Solidarität werden die Menschen kaum bereit sein, plötzlich das Doppelte zu zahlen.
Der große Balance-Akt steht uns erst noch bevor
Der Balance-Akt wird es sein, sobald wir eines Tages – in welcher Form auch immer – wieder in eine dann neue Normalität zurückkehren können, das richtige Verhältnis zu finden, zwischen fairen und leistbaren Preisen für Live-Konzerte und sonstige Events und den wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu finden. Bis zu welcher Größenordnung wollen und können die Konzertgänger noch mitgehen? Werden wir umdenken müssen? Vermutlich schon, und zwar in vielen Bereichen.
Auf dem Boden bleiben und nicht mit beiden Beinen fest in der Luft
Die geradezu unverschämt zulangenden Preistreiber unter den größten Stars sollten sich wieder näher zu ihren Anhängern begeben und ein wenig Fingerspitzengefühl bei der Preisgestaltung walten lassen. Die Shows sollten künftig nicht mit jeder neuen Ausgabe noch abgedrehter sein.
Das allerdings ist auch eine Perspektive, die auf die Fahne der zuweilen sehr qualitätsverwöhnten Fans geschrieben sein sollte. Mehr kostet nun mal mehr. Wäre es nicht weitaus sinnvoller, sich mal wieder aufs Wesentliche zu besinnen? Nicht jedes Livekonzert muss mit dem Nimbus der Formel Eins oder eines Raketenstarts abgehalten werden.
Wird die Schmerzgrenze überschritten, bleibt die Hütte leer
Letztlich geht es doch erstens um die Musik und das gemeinsame Erlebnis. Live bleibt live! Bleibt das Publikum in Zukunft aus, werden wir vielleicht eher auf kleinere Locations setzen müssen. Eventuell muss man sogar über komplett andere Formate nachdenken. Man weiß es nicht.
Zumal wir aber alle in einem großen Boot sitzen, sollten wir die Schrauben nicht noch weiterdrehen. Während der Zeit der nicht möglichen Auftritte haben Musiker gesehen, wie sehr das Publikum fehlt. Wenn die Schmerzgrenze der Preise für Live-Konzerte überschritten wird, bleibt die Hütte eines Tages wieder leer.
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Wer in finanziell engen Zeiten als Musiker nach einer themennahen Alternative sucht, könnte übrigens vielleicht beim größten Musikhaus Europas einen Job finden. Deshalb auch interessant: „Spannende Jobs für Musiker mit Musikern und sonstigen Verrückten“.
Die Zeiten in denen man nen top act für 30€ sehen konnte sind nunmal vorbei. Und ich bin da auch komplett konform mit. Ich gehe aber auch nicht auf 10 Konzerte jährlich… Das erste Post Pandemie Konzert war Dua Lipa in München. Stolze 140€ für Preiskategorie 1… Puhh ja.. war es das wert? Joa auf alle Fälle. Brauche ich eine aufwendige Show? Nö. Gitarre, Schlagzeug, maybe n Klavier oder keybord, nen Hocker und Gib mir die acoustic Dröhnung… Dann müssten wie schon beschrieben solche Preise gar nicht aufgerufen werden
Ich habe Depeche Mode 1984 für 24 DM Vorverkaufspreis in der Gruga Essen gesehen. OK, das wird in 2023, dem nächsten Tourjahr von Depeche Mode, 39 Jahre her sein. In den Jahren danach ging es weitgehend moderat preislich aufwärts. Für das Ticket in der PK 1 werden aktuell satte 239 € aufgerufen (ohne Extrawürste, die man auch buchen kann). Sieht man, wie nahezu ausverkauft die Konzerte sind, herrscht in der Fangemeinde durchaus eine gewisse Schmerzfreiheit. Ich für meinen Teil bin nicht bereit, den aufgerufenen Preis zu zahlen und ich möchte auch nicht für 78 € in einem unpersönlichen Stadion in der letzten Ecke sitzen. Ich wünsche allen Konzertbesuchern dennoch viel Spaß und dass sich die Investition für sie persönlich lohnt. Alles hat seine Zeit…Manches hatte seine Zeit…