20:00 Uhr, irgendwo im Musikerland, die Frisur sitzt. Der Countdown läuft, gleich geht’s auf die Bühne. In der Location hat sich bereits reichlich Publikum versammelt; es werden immer mehr. Und plötzlich zittern deine Finger unkontrollierbar wie Pappeln im Herbstorkan. Hier unsere Tipps gegen Lampenfieber:
Check it: Wie du dein Lampenfieber beherrscht
- Phänomen Fluchtinstinkt mit körperlichen Symptomen
- Wie du das Stresslevel senken kannst
- Gib dir selbst Struktur und ausreichend Zeit
- Schaffe dir eine Wohlfühl-Umgebung
- Wie du der Situation die Dramatik nimmst
- Spiele für und nicht gegen das Publikum
Die gesamte Band hat sich optimal vorbereitet, in den letzten Proben die letzten Stolpersteine weggeschliffen. Ihr wisst, dass ihr es könnt. Trotzdem hat dein Deo den Kampf gegen die Angst längst verloren und hisst die nicht mehr so ganz weiße Fahne. Der Blackout wartet nur darauf, sich über dein Hirn zu stülpen. Du fühlst dich vollkommen machtlos. Jetzt müssen ganz schnell Lösungen und Tipps gegen Lampenfieber her, damit du dich nicht blamierst und den Auftritt nicht versemmelst.
Lampenfieber: Ein evolutionär überlebenswichtiger Instinkt
Um mit Lampenfieber vernünftig umzugehen, sollten wir das Phänomen zunächst verstehen. Was ist das überhaupt? Ohne allzu wissenschaftlich zu werden, handelt es sich um eine instinktive Reaktion des Körpers: Es geht um den überlebenswichtigen Fluchtinstinkt. Das Problem auf der Bühne: Flucht gerade nicht möglich, du musst da gleich raus. Der Fluchtinstinkt hat kein Ventil, sich zu entladen.
Der Zusammenhang sieht dann vereinfacht so aus: Erkennt – oder vermutet – das Gehirn eine Gefahrsituation, schüttet die Hirnanhangdrüse Stresshormone aus, die Nebennieren packen noch mal die gute Portion Adrenalin obendrauf. Der Puls rast mit sich selbst um die Wette, der Blutdruck steigt, die Pupillen weiten sich. Im schlimmsten Fall bist du handlungsunfähig wie ein festgelegter Tanker in der Straße von Hormuz. Um aus dem Schlamassel herauszukommen, benötigst du Tipps gegen Lampenfieber.
Lediglich zwei Fäden, an denen du ziehen musst
Um dem Problem vernünftig begegnen zu können, musst du grundsätzlich begreifen, dass körperliche Reaktionen und Emotionen sich gegenseitig hochschaukeln. Ist der angstvolle Puls hoch, ist zugleich das Gehirn beunruhigt – und umgekehrt. Dasselbe gilt auch für den Umkehrschluss: Du brauchst nur einen der beiden „Lampenfieber-Schalter“ umlegen. Der andere zieht automatisch mit und beruhigt sich ebenfalls.
Stresslevel senken und krisenfest machen
Es liegt auf der Hand: Wenn zu viel Stress vorhanden ist, musst du den senken. Dafür kannst du unterschiedlichste Entspannungstechniken nutzen. Gut geeignet sind autogenes Training, auch die kurze Meditation oder Yoga. Empfehlenswert ist auch „Wingwave“, eine Technik, mit der die – sorry für das Wort – „punktgenaue Leistungsfähigkeit“ gefördert wird, also ideal als Vorbereitung für die Auftritte vor Publikum.
Es gibt zahlreiche weitere, die mit Schamanenkult absolut nichts zu tun haben. Die Zauberformel ist es dabei, die vernünftige Balance der Sinne zu halten. Die Sinne sollten mit positiver Anspannung geschärft bleiben, das Lampenfieber weder komplett ausgelöscht noch vollkommen unterdrückt werden.
Sport als Helfer gegen Lampenfieber
Direkt helfen kann dir übrigens auch Sport. Ja, auch unmittelbar vor dem Gig. Du musst ja nicht gleich einen Marathon laufen oder den Iron Man probieren. Einfach ein paar lockere Liegestütze, ein Case ein paarmal stemmen, was auch immer. Verstehe es wie das Warmmachen vor Training oder Spiel bei Profisportlern. Lässt sich vielleicht nicht immer machen, gehört aber unbedingt auch zu den Tipps gegen Lampenfieber.
Strukturiert und bestens vorbereitet
Du weißt, dass du zu den von Lampenfieber Betroffenen gehörst. Also solltest du umso besser vorbereitet sein. Und damit ist gerade mal nicht das Üben der Songs gemeint. Du erscheinst penibel pünktlich beim Gig. Dein Instrument ist rechtzeitig geputzt und gestimmt, alle Kabelverbindungen kontrollierst du besonders frühzeitig.
Dein komplettes Equipment überprüfst du auf Funktionalität; etwaige Akkus sind geladen. Die Setlist, Leadsheets oder Noten liegen bestens sichtbar bereit. Dieser wirklich rechtzeitige Rundum-Check dient einerseits deiner gefühlten Sicherheit. Außerdem verschafft er dir Zeit dafür, vor dem Gig noch mal zur Ruhe zu kommen.
Den Raum mental einrichten und merken
Und dann richtest du dir gedanklich den Raum ein. Schau‘ dich um, verinnerliche die Bestuhlung, die Größe des Raumes, die Atmosphäre der Location. Blicke noch mal auf die Bühne, die Amps, Instrumente, auch die Lichtanlage. Merke dir so viele Details wie möglich. Warum?
Nun, du richtest dir gedanklich gerade die Umgebung für die nächsten Stunden ein. Je besser du sie kennst, sie gewissermaßen zu deinem geborgenen Zuhause machst, umso sicherer wirst du dich fühlen. Mach die Bühne zu deinem Wohnzimmer! Verstehe das Publikum als deine Gäste.
Nicht ablenken lassen – bei sich selbst bleiben
Wichtig in der Phase direkt vor dem Auftritt ist, dass du dich jetzt nicht von unwichtigen Themen ablenken lässt, die dich aus der konzentrierten Balance bringen könnten. Über irgendwelche – im Augenblick – belanglosen Erlebnisse, schulische Nerv-Töter, den aktuellen Computer-Hack oder globale Verschwörungstheorien könnt ihr euch später immer noch die Köpfe heißreden. Jetzt darfst du durchaus sagen: „Bitte lass‘ mich einen Moment in Ruhe; den brauche ich.“ Bleib bei Dir!
Lampenfieber mit Fantasie in positive Konzentration wandeln
Es ist das bekannte Ding mit dem halbvollen oder halbleeren Glas. Manche würden vermutlich auch sagen: „Mit ein bisschen Fantasie kann man sich auch den letzten Mist schönreden.“ Ja, so ist es. Und exakt diese Fantasie wird zu deinem bühnentauglichen Helfer, sobald du spürst, wie diese Angst wieder in dir hochkriechen will.
Stell dir beispielsweise angenehme Erlebnisse vor, in denen du vor Freude ebenso aufgeregt warst. Oder begib dich für einen Moment auf eine fantasievolle Gedankenreise, vielleicht zum letzten Konzert deiner Heros, bei dem du selbst mitten im Publikum warst. Es gibt so viele schöne Erlebnisse und Erinnerungen, die du mit deiner Lampenfieber-Situation verknüpfen und positiv besetzen kannst.
Der Situation die Dramatik nehmen trotz Flattern im Bauch
Souveräner wirst du übrigens auch, indem du die Kirche einfach mal im Dorf lässt. Betrachte die Situation bewusst, realistisch und zugleich mit einer gewissen Lockerheit. Zunächst ist ein Auftritt nicht lebensgefährlich. Sicherlich möchtest du glänzen; wir alle suchen nach Anerkennung. (Wir Musiker sind ja bekanntlich selbsterklärte Profilneurotiker.) Aber was soll da schlimmstenfalls passieren? Niemand wird dir den Kopf abreißen. Jeder da vor dir weiß, dass du eine besondere Leistung bringst. Also kein Grund für Versagensängste.
Ins Publikum schauen, aber Mimik nicht falsch verstehen
Menschen senden Signale über ihre Mimik. Hört jemand beispielsweise konzentriert zu, verspannt sich sein Gesicht. Du könntest glauben, den kritischen Augen gefällt deine Performance nicht. Und weil du dich gerade im Lampenfiebernotstand befindest, erwächst daraus eine typische selbsterfüllende Prophezeiung: Glaubst du dem verzerrten Blick, wirst du grundlos immer unsicherer und lieferst letztlich falsche Töne ab. Dabei war der Zuhörer einfach nur konzentriert und hat sich über deinen Auftritt gefreut.
Das Publikum ist dein bester Freund – kein Grund für Angst
Stellt dir selbst die Frage, wovor wirklich du diese durchaus reale Angst hast. Ist es tatsächlich das Publikum? Warum? Die haben sich aus ihrem heimischen Sessel bewegt und sind zu dir gekommen. Vermutlich haben sie sogar Eintritt gezahlt. Mag auch sein, es ist ein kleinerer Auftritt wie in der Schulaula und sie lassen anschließend den Hut rumgehen. Die wollen dich sehen und hören; und zwar live und menschlich.
Das bedeutet auch, dass du keine Angst vor Fehlern haben brauchst. Eben die sind ja so sympathisch authentisch und geben dem Gig diesen besonderen Spirit. CD-Perfektion bis ins letzte Detail ist kaum nötig. Ganz ehrlich: Wenn du dich am Abend fünfmal verspielst, wird die Welt trotzdem nicht untergehen. Die hält das aus. Und falls der Blackout dich vollends aus dem Konzept bringt? Na und? Take it easy und mache ein gemeinsames Lächeln daraus.
Die Menschen im Publikum sind keine Bewertungsplattform, auch keine Hotelkritiker oder der Musiker-TÜV. Viele nette Augen werden dich ansehen, dankbar dafür, dass du ihnen eine gute Zeit ermöglichst. Verstehe „die da unten“ als die auf Augenhöhe. Und die haben dasselbe Interesse wie du: Einfach ein tolles Erlebnis mit nach Hause zu nehmen.