Fingerübungen auf der Gitarre: Damit die Griffel bestens funktionieren

Entspannt, locker, präzise koordiniert

Foto: Shutterstock von Y.P.photo

Anfangs sind die Finger ungelenk und kraftlos, fangen auch durchaus mal an zu schmerzen und scheinen irgendwie eine körpereigene Handbremse beim Gitarre-Spielen zu sein. Kein Wunder, wir reden immerhin von ungewohnten Bewegungen. Ideale Helfer sind die Fingerübungen auf der Gitarre.

Check it: Fingerübungen auf der Gitarre

  • Weshalb Fingerübungen sinnvoll sind
  • Faktor Kraft
  • Faktor Fingerbeweglichkeit
  • Faktor Dehnfähigkeit
  • Von Trockenübungen bis zu Instrumentalübungen
  • Praktische Hand- und Fingertrainer

Fingerübungen auf der Gitarre – nicht auf die musikalische Nase fallen

Wer auf der Gitarre weiterkommen will, darf vor allem eines nicht machen: Immer nur die Dinge üben und spielen, die man bereits beherrscht. Der Schwierigkeitsgrad sollte vorsichtig, aber gleichermaßen kontinuierlich angehoben werden. Dabei besteht allerdings die Problematik, dass die Finger für weitere Techniken und das Spielen mit größerer Präzision als auch Koordination zunächst nicht ausgebildet sind.

Du kannst eine Skala oder ein Riff noch so häufig spielen, wenn die Fingerfertigkeit nicht ausgebildet ist, wirst du immer wieder an derselben Stelle scheitern. Wenn deine Schuhe zu groß sind, fällst du auf beim Laufen auf die Nase. Wenn die Finger nicht mit Fingerübungen auf der Gitarre trainiert werden, stehst du dir selbst im Weg und fällt auf die musikalische Nase.

Der Faktor Kraft

Was für den Trompeter der Ansatz, sind für die Gitarristen die Finger. Die müssen als Basis für alles Weitere ausreichend trainiert werden, wobei wir hier nicht von überbordenden Kraftübungen sprechen. Das Paradoxe ist ja, dass man – die richtige Technik vorausgesetzt – für das Spiel auf der Gitarre kaum bis gar keine Kraft benötigt. Aber gerade am Anfang funktioniert es ohne eine gute Portion wohldosierter Kraft dann doch nicht wirklich.

Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die eigentliche Kraft der Greifhand aus dem von hinten gegen den Gitarrenhals gestemmten Daumen kommt, also aus dem entstehenden Klammergriff zwischen Daumen und den Fingern, beginnen kraftlose, untrainierte Finger bei Anfängern schnell mal zu schmerzen. Leicht nachvollziehbar, immerhin reden wir hier von für die Muskeln, Sehnen und Gelenke ungewohnten Bewegungen. Aber keine Angst, das Training ist wie beim Sport kein Hexenwerk. Auch dafür gibt es Fingerübungen auf der Gitarre.

Zu viel Kraft benötigt man bei der Gitarre nicht | Foto: Shutterstock von ueuaphoto

Der Faktor Fingerbeweglichkeit

Der nächste und vermutlich bedeutendere Aspekt ist die unabhängige Beweglichkeit der Finger. Das klingt im ersten Moment banal, ist es aber beileibe nicht. Wer ungeübt beispielsweise eine Hand flach auf den Tisch legt und nun ausschließlich den Zeigefinge in die Höhe heben will, wird damit vermutlich keine Probleme bekommen. Versucht man hingegen, den Ringfinger anzuheben, während alle anderen Finger auf dem Tisch liegenbleiben, wird sich das durchaus problematischer darstellen.

Beim Gitarre-Spielen, egal ob akustische oder elektrische Gitarre, ist es aber zwingend nötig, dass die Finger unabhängig voneinander bewegt werden können, das heißt nicht nur, dass du imstande sein musst, die Finger einzeln auf die Saiten und somit aufs Griffbrett zu drücken. Vielmehr musst du sie für etliche Spieltechniken auch einzeln anheben können, ohne die anderen Finger dabei vom Griffbrett zu lösen, sie ebenso einzeln, beispielsweise bei kraftvollen Bendings, einsetzen können, was ebenfalls eine Frage der Fingerübungen auf der Gitarre ist.

Die Finger müssen separat voneinander bewegt werden können | Foto: Shutterstock von ldutko

Der Faktor Dehnbarkeit

Der dritte Punkt, ist die Dehnbarkeit, wobei damit nicht die einzelnen Finger gemeint sind, sondern die Frage, wie weit die Finger sich spreizen lassen, also wie weit können beispielsweise der Zeige- und der Mittelfinger voneinander weg gespreizt werden. Auch hier wird es zwischen den verschiedenen Fingern deutliche Unterschiede geben. Nur logisch, bei nicht trainierten Fingern. Welcher Normalmensch rennt schon mit permanent gespreizten Fingern durch die Gegend. Die Dehnbarkeit wird durch Training der Sehnen ermöglicht.

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Hochbedeutend ist die Dehnfähigkeit dafür, erstens weiter auseinanderliegende Bünde zu erreichen, zweiten Akkorde mit weit auseinanderliegenden Tönen spielen zu können als auch bei Spieltechniken wie dem Sweep-Picking. Logischerweise soll die Hand sich über sämtliche Lagen des Griffbrettes hinwegbewegen; auf der anderen Seite aber soll die Greifhand aber auch einen gewissen Ruhepol bilden, muss also nicht ständig hin- und her zappeln. Möchte man bei ruhender Hand Töne spielen, die über mehr als vier Bünde voneinander entfernt liegen, funktioniert das nur, indem beispielsweise der Zeige- und der Ringfinger, etwa nach ausgiebigen Fingerübungen auf der Gitarre, weit genug gedehnt werden können.

Dehnfähigkeit wichtig, um weit entfernte Töne spielen zu können | Foto: Shutterstock von Jacob Lund

Trockenübungen ohne Instrument

Jeder Sportler macht sich vor dem eigentlichen Training, dem Wettkampf oder Spiel warm. Dabei werden beispielsweise Dehnübungen gemacht oder mit lockerem Sparring die Muskeln, Gelenke, Bänder und Sehnen aufgewärmt. Und das Ganze ist nicht lediglich ein Spaß, um hinterher noch schneller oder treffsicherer zu sein. Vielmehr geht es darum, das Verletzungsrisiko zu minimieren. Ein Körper der aus dem Kaltstart auf Höchstleistung kommt, rennt vermutlich nicht lange auf dem Spielfeld, sondern eher umgehend zum Orthopäden seines Vertrauens.

Gleiche sportliche Aufwärmanforderung bei Gitarristen

Gleichermaßen gilt das für dich als ambitionierten Gitarristen. Fingerübungen auf der Gitarre und auch ohne das Instrument unterstützen dich dabei, dass du keine gesundheitlichen Schäden davonträgst. Klingt für dich merkwürdig, weil du dir keine Verletzungen beim Gitarrenspiel vorstellen kannst? Stell dir einfach nur vor, du würdest dir aufgrund zu frühzeitiger und zugleich dauerhafter Belastung eine Sehnenscheidenentzündung einfangen. Im dümmsten Fall würde dein Unterarm über Wochen hinweg in einem Gips stillgelegt und damit die Entzündung sich nicht chronisch entwickelt, muss sie auch anschließend ausgiebig auskuriert werden. Es gibt etliche solcher Beispiele.

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Finger spreizen mit auf dem Tisch liegender Hand

Also fängst du mit Trockenübungen an, bevor du überhaupt dein Instrument in die Hände nimmst und mit Fingerübungen auf der Gitarre weitermachst. Das heißt beispielsweise, du legst die Hände flach auf den Tisch und hebst und senkst nun einen Finger nach dem anderen. Im nächsten Schritt spreizt du die Finger mit der auf dem Tisch liegenden Hand auseinander, einen nach dem anderen. Und bitte, bei alledem niemals übertreiben. Übertreibung ist grundsätzlich der verkehrte Weg.

Im nächsten Stepp mit Händen in der Luft

Als nächstes hebst du die Hände hoch, hältst sie leicht angespannt etwa auf Schulterhöhe mit der Handfläche zu dir zeigend. Nun machst du die beschriebenen Übungen gewissermaßen in der freien Luft, also ohne Ablage auf dem Tisch. Nimm dir ausreichend Zeit und Ruhe, versuche immer ein wenig über den normal erreichbaren Punkt hinauszugehen, aber niemals übertreiben. Schließlich willst du keine Zerrung oder sonstige Blockaden produzieren.

Fingerhakeln wie im bayrischen Festzelt

Die Dehn- und Spreizübungen dienen erstens dem Warmmachen und zweitens der Beweglichkeit der Finger. Eine hinlänglich bekannte Trockenübung, mit der du die Kraft deiner Finger trainierst, ist das Fingerhakeln. Üblicherweise macht man das im Wettkampf mit einer anderen großmäuligen Person, wenn man in der Kneipe grölend seine Kräfte messen will. Du nicht; du machst das mit dir selbst. Du verhakst einen Finger der einen Hand mit einem der anderen, und schon geht’s los mit Ziehen. Wir sind gespannt, welche Hand gewinnt.

Auf alle Fälle ein echtes Krafttraining für die Finger | Foto: Shutterstock von shockfactor.de

Hand- und Fingertrainer als nützliches Übungs-Tool

Im Handel findest du für das Krafttraining von Fingern und Händen auch sogenannte Hand- und Fingertrainer, mit denen du bei regelmäßigem Training die Koordination, Kraft und Flexibiltät der Finger deutlich verbessern kannst. Hand- und Fingertrainer sind ideal für alle Saiten- und Tasteninstrumentalisten und keinesfalls lediglich ein Gimmick. Solche und ähnliche Handtrainer werden beispielsweise auch von Bergkletterern genutzt, die auf hohe Kraft ihrer Finger angewiesen sind.

Lediglich ein Vorteil der unterschiedlichen Hand- und Fingertrainer ist, dass du sie auch immer dann benutzen kannst, wenn du einfach nur Zeit überbrücken musst, beispielsweise bei Autorfahren oder wenn du auf dem Sofa deine nächste Staffel auf Netflix guckst. Manche davon, etwa der Fingertrainer von Harley Benton bieten sogar die Möglichkeit, die Druckwiderstände für die jeweiligen Finger separat einzustellen.

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Da gab’s ja noch eine Hand

Haben wir uns bislang hauptsächlich mit den Anforderungen an die Greifhand beschäftigt, fällt den geneigten Gitarristen gerade auf, dass sie noch eine zweite Hand besitzen. Die Anschlaghand will auch bestens koordiniert und trainiert werden. Hohe Bedeutung hat für dich, einerseits die schnellen Auf- und Ab-Bewegungen des Plektrums hinzubekommen, andererseits Blockaden möglichst vollkommen auszuschließen. Interessanterweise dafür nicht die Finger verantwortlich, sondern das Handgelenk und der Unterarm.

Im Handgelenk locker bleiben

Zu den Fingerübungen auf der Gitarre gehört es, die Hand Anschlaghand zunächst einfach auszuschütteln. Deine Zielsetzung ist, dass das Handgelenk vollkommen locker und entspannt ist. Wenn etwa ein Arzt zu einem sagt: „Vollkommen locker bleiben“, passiert in den meisten Fällen das Gegenteil. Man verkrampft. Das aber kannst du bei der Gitarre nicht gebrauchen. Du wirst merken, wenn das Handgelenk vollkommen locker ist.

Erst dann nimmst du das Plektrum in die Hand, behältst die Lockerheit im Handgelenk bei und spielst im Wechselschlag lediglich eine Saite an. Erst langsam, dann vorsichtig schneller werdend. Sobald du irgendeine Blockade spürst und dein Handgelenk den Zustand des „Kelno’reem“ verliert, hörst du sofort wieder auf und schüttelst die Hand und dein Hirn wieder aus. Locker bleiben ist die Devise.

Fingerpicking als Spezialdisziplin der Zupf-Hand

Beim Fingerpicking auf der Westerngitarre oder auch konzertantem Spiel auf der klassischen Gitarre ist die Koordination und Flexibilität der Finger der Anschlaghand unausweichlich. Trainieren kannst du die Koordination direkt auf dem Instrument, in dem du die Saiten in unterschiedlichen Mustern zupfst, wobei du die üblichen Picking-Muster nutzt, ganz langsam beginnst und dich dabei noch nicht um einen speziellen Song kümmerst.

Zurück zur Greifhand mit Skalen und Tonleitern

Widmen wir uns mit den Fingerübungen auf der Gitarre wieder der Greifhand. Vollkommen üblich ist es, dass Gitarristen zum Aufwärmen etliche Skalen und Tonleitern rauf und runterspielen. Erstens wird dadurch das zur Verfügung stehende Tonmaterial gefestigt, zweitens werden die Finger gelockert und gedehnt, die Griffweise wird präzisiert. Es geht eben nicht in erster Linie darum, die Skalen so schnell wie möglich zu spielen, stattdessen so präzise und wohlklingend wie möglich. Jede Übungs- und Aufwärmsession ist ein Schritt dahin; das saubere Spiel zu verbessern. Und das kann man nur locker machen.

Skalen ohne Plektrum nur mit einer Hand

Geht das locker von der Hand, verzichtest du für die nächste der Fingerübungen auf der Gitarre auf das Plektrum. Du spielst dieselben Skalen, in dem du die Finger der Greifhand auf das Griffbrett hämmerst und wieder abziehst. (Hammer On und Pull Off).

Weitere Techniken wie das Bending sind nicht Bestandteil der Fingerübungen, die gehören zum konzentrierten und konsequenten Training und Einstudieren der Songs. Bei dieser und weiteren Techniken handelt es sich nicht um Übungen, mit denen du deine Finger dehnen oder stärken würdest. Die müssen dafür schon ausreichend gestärkt sein, um das überhaupt durchführen zu können.

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