Marshall ist aus der Welt der E-Gitarristen nicht mehr wegzudenken. Mit den ersten Vollröhrenverstärkern begann 1962 ein unfassbarer Siegeszug. Aus der kleinen Manufaktur entwickelte sich eine der bekanntesten Firmen für Gitarrenverstärker der Welt. Marshall-Amps gehören als Synonym für Energie und Lautstärke zweifellos zu den Klassikern schlechthin.
Check it: Marshall-Amps als Klassiker und Legenden
- Wie unspektakulär alles begann
- Geboren in Zeiten des Rock
- Vollröhre für satten Sound
- Von Number One zu legendären Modellen
- Was der eigentliche Coup von Marshall war
- Weshalb Marshall bis heute ganz vorne dabei ist
- Und dann kam der Verkauf an Zound Industries
Marshall-Amps: Wie alles begann
Marshall ist Kult, Legende und Wegbreiter zugleich. Dabei find die Geschichte eigentlich recht unscheinbar an. Im Jahr 1923 wurde im englischen Kensington ein gewisser James Charles Marshall geboren. Bereits als Jugendlicher war er gezwungen, zur Unterstützung der Familie arbeiten zu gehen. Nebenbei war er schon in dieser Zeit Schlagzeuger und spielte in ersten professionellen Bands. Durchaus beeindruckend deshalb, da er als Kind an Knochentuberkulose litt und dieses „körperliche“ Instrument ihm einiges abverlangte.
Nachdem er während des Zweiten Weltkriegs ausgemustert worden war, arbeitete er in einem Elektronikunternehmen und brachte sich währenddessen Elektrotechnik bei. Diese Kenntnisse wurden zum Fundament des späteren Siegeszuges der Marshall-Amps. Nach Kriegsende gab er zunächst Schlagzeugunterricht und mit den Einnahmen gründete er ein kleines Musikgeschäft, bis dahin ziemlich unspektakulär.
Größere Bühnen – leistungsstarke Beschallung gab es nicht
Allerdings war es die Zeit des aufkeimenden Rock’n’Roll und Hardrock. Bands wie die Rolling Stones, The Who, Pink Floyd oder Deep Purple starteten Anfang der 1960er Jahre durch. Zu seinen Kunden gehörten beispielsweise Gitarristen wie Ritchie Blackmore und Pete Townsend. Wie andere Saitenakrobaten der damaligen Zeit hatten sie ein technisch-akustisches Problem: Die Bühnen und Locations als auch das Publikum wurden größer; leistungsstarke Beschallungsanlagen gab es nicht.
Aber die Gitarrenverstärker waren nicht laut genug
Die verfügbaren Gitarrenverstärker waren einfach nicht laut genug und lieferten zudem nicht annähernd den gewünschten Sound. Probleme sind dazu geschaffen, sie zu lösen. Exakt das tat Jim Marshall, als er begann, eigene Verstärker zu entwickeln. Seit der Gründung von Marshall Amplification im Jahr 1962 und somit der Geburtsstunde der Marshall-Amps sind die Verstärker von den Rockbühnen dieser Welt nicht mehr wegzudenken. Geht es um die Geschichte von Gitarrenverstärkern und den Rock’n’Roll führt an Marshall-Verstärkern tatsächlich kein Weg vorbei. Im Laufe der Jahrzehnte sollten sie die Bühnen und Übungsräume förmlich fluten.
Guten Morgen Welt – Number 1 wird geboren
Der erste der Marshall-Amps erblickte Ende 1962 das Licht der Welt. Die Bezeichnung: „Number One“. Na ja, liegt ja auch nahe, ein Erstmodell mit Nummer 1 zu benennen. Heutzutage befindet er sich hinter Glas versiegelt im Marshall Museum in Milton Keynes. Tatsächlich war er das Vorgängermodell des unfassbar häufig verkauften und gespielten Top-Teils JTM45, das im selben Jahr geboren wurde und den Siegeszug der Marke begründen sollte. Die Bezeichnung war kein Geheimnis, erklärte sich aber nur Insidern:
- J – Jim
- T – Terry, sein Sohn
- M – Marshall
- 45 – Watt
Noch mehr Kraft war gefordert
Kraft musst her; die Kraft der Vollröhren-Verstärker. Und die Version mit 45 Watt reichte vielen noch nicht aus. So auch, Pete Townsend, auf dessen Anregung Marshall den Super Head 100, das erste Topteil mit einer Leistung von 100 Watt, konzipierte. Anfangs wurde der sogar kombiniert mit einer 8×12‘‘-Box, also einer Box mit acht jeweils 12 Zoll großen Lautsprechern. Damit allerdings stand auch schon das nächste Problem vor der Tür. Die Box war zu groß, weil aufgrund des Gewichts und der Dimensionen von Townsends Roadies kaum zu transportieren.
Box einfach in der Mitte geteilt
Pragmatisch erfinderisch wurde die von Jim Marshall einfach in der Mitte geteilt. Aus einer 8x12er-Box wurden zwei 4×12‘‘-Boxen, die man einfach übereinanderstellte. Darauf kam dann das Topteil, die nächste Geburt durfte gefeiert werden, nämlich die des Marshall Stack, doch heute noch genauso auf den großen Rockbühnen dieser Welt zu sehen und vor allem zu hören ist.
Marshall Plexi und das Verwirrspiel der Modelle
Der Marshall Plexi ist unbestrittenermaßen einer der kultigsten Verstärker, die je von der britischen Amp-Schmiede produziert wurden. Bis heute gilt er als absoluter Klassiker mit unverkennbarem Sound. Offiziell bezeichnet wurde damit von 1962 bis 1966 der JTM45, der später JMP Super Lead genannt wurde. Grundsätzlich wurden die Marshall-Amps als Plexi bezeichnet, die eben mit der typischen Front aus gebürstetem Plexiglas gefertigt waren. Heutzutage wird damit vielmehr der 1959er Super Lead benannt. Der wiederum aus dem bereits erwähnten Super Head 100 hervorging. Zugegeben, es ist ein bisschen kompliziert.
Mit dem Bluesbreaker für die Combo-Fans angetreten
Selbstverständlich wurden auch die Fans von Combo-Verstärkern bei Marshall versorgt. 1965 kann der legendäre Bluesbreaker auf den Markt, der optisch durchaus mit den Combos der amerikanischen Marke vergleichbar war, aber eben insbesondere beim Tremolo einen vollkommen anderen Sound lieferte: dem eher weicheren und cleanen Sound der amerikanischen Surfwelle wurde der typisch kompromisslose britische Klang gegenübergestellt. Und selbst die eigentlich für Fender-Amps bekannten Heros wie Eric Clapton spielten den Bluesbreaker. Der Name war Programm. Also der von Eric Clapton ohnehin, aber eben auch der des Brit-Blues-Combos.
Der außergewöhnliche Marshall-Coup
Mit einem echten Hammer verblüffte das Unternehmen den Markt im Jahr 1975, unter heutigen Aspekten kaum noch erstaunlich, damals allerdings geradezu genial. Bis dato konnten die Gitarreros den verzerrten Sound nur bei voll aufgedrehter Lautstärke aus den Amps kitzeln, wobei „kitzeln“ an dieser Stelle eigentlich das unpassendste Wort überhaupt sein dürfte. Um das auch bei etwas moderateren Lautstärken zu ermöglichen, trennte Marshall die Vor- und die Endstufe voneinander. Resultat war, dass nunmehr der Gain-Regler in der Hauptsache für die Verzerrung, der Master-Regler für die Endlautstärke verantwortlich war. Dieses Konzept wurde insbesondere beim Marshall 2203 und dem 2204 umgesetzt, letztlich aber auch für alle anderen bereits existierenden Modelle übernommen.
Mit neuer Schaltung zum Referenzverstärker gereift
Spätestens mit dieser damals innovativen Konfiguration war Marshall der Turbo-Durchstarter auf dem Markt. Der Marshall 2203 JCM800 wurde zur Referenz der Gitarrenverstärker bzw. Top-Teile schlechthin. Denn selbstverständlich wurde das Prinzip der getrennten Vor- und Endstufe auch von nahezu allen anderen Herstellern übernommen. Dabei war die Idee doch eigentlich vollkommen simpel. Warum war zuvor noch niemand darauf gekommen? Wer hat’s erfunden? Nein, nicht die Schweizer, sondern das Team von Jim Marshall in England.
Aktuelle Modelle mit riesigem Potenzial
Und nicht nur in den 60er-Jahren hat Marshall mit besonderen Verstärkern überzeugt. Vielmehr wurde 2012 eine der erfolgreichsten Serien der Marke herausgebracht. In der DSL-Serie finden sich Modelle winzigen Übungsverstärkern mit lediglich einem Watt bis zu leistungsstarken Topteilen und Combos auf Vollröhrenbasis. Indes die kleineren Übungs-Amps eher an die Low-Budget-Amps aus der MG-Serie anknüpfen, liefern die Verstärker wie der Vollröhren-Combo DSL40CR den authentisch britischen Zerrsound, allerdings durchaus preisgünstig und mit zugleich intelligenten Features wie der Trioden-/Pentoden-Umschaltung.
Im Laufe der Jahrzehnte gab es diverse weitere Modelle, die allesamt tonnenweise verkauft wurden, sich aber schlussendlich an demselben Prinzip orientierten. So brachte das Unternehmen 2013 eine handverdrahtete Serie von Reissues heraus, mit dem der klassische Marshall-Spirit erneut eingefangen wurden. Jim Marshall erlebte diese Serie seinen Familienunternehmens nicht mehr. Er war ein Jahr zuvor im Alter von 88 Jahren in einem Londoner Hospiz an Krebs verstorben.
Spitzenreiter auch beim Akustikgitarrenverstärker
Vordringlich war und ist Marshall für seine E-Gitarren-Verstärker mit Vollröhrenbestückung bekannt. Dann aber, im Jahr 1994 widmete man sich mit der AS-Serie auch den Akustik-Gitarristen. Wie hätte es anders sein können? Die Akustik-Combos schlugen bereits in der ersten Version voll ein und sicherten sich im Mitbewerbervergleich schnell einen Platz unter den beliebtesten Verstärkern dieser Disziplin schlechthin. 2014 feierte Marshall schließlich sein 20-jähriges Jubiläum der AS Serie.
2023: Marshall verkauft an Zound Industries
Im März 2023 kam dann die Meldung, die eingefleischte Marshall-Fans durchaus überraschte bis verwirrte: Die Kult-Marke Marshall Amplification wurden von der schwedischen Firma Zound Industries aufgekauft, dem Unternehmen, das zuvor schon unter Marshall-Lizenz Bluetooth-Boxen und Kopfhörer produziert hatte, und firmiert seit der Übernahme als Marshall Group. Schon war die Szene besorgt, ob nun nur noch Bluetooth-Boxen den Markt bevölkern würden. Aber ganz im Gegenteil; vielmehr haben die Briten eine komplette neue Serie herausgebracht: den Marshall Studio JTM ST20. Das Topteil JTM ST20H, de Kombo JTM ST20C und mit der ST112 und ST212 zwei neue Boxen.
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