7 Vorurteile über die Mundharmonika: Lieber an Fakten halten

Der Blick über unseren Mikrokosmos hinweg

| Foto: Shutterstock von Pudeekao

Ein kleines Instrument erobert mit der Mundharmonika seit geraumer Zeit die Musikwelt. Die meisten Modelle kann man einfach in die Tasche stecken und jederzeit und überall darauf Musik machen. Die unterschiedlichen Bauarten haben ihre jeweils eigenen Vorzüge. Und sind insbesondere bei weniger Kundigen und Nichtmusikern und geprägt durch Vorurteile über die Mundharmonika. Wir räumen auf:

Check it: Vorurteile über die Mundharmonika

  • Ist die Mundharmonika auf wenige Genres beschränkt?
  • Wird die Blues Harp nur im Blues gespielt?
  • Klingt sie mit aufdringlichem Tremolo immer jaulend?
  • Handelt es sich um ein Nischeninstrument?
  • Können Harp-Spieler keine Noten?

Vorurteile über die Mundharmonika locker entkräftet

Die Natur von Vorurteilen ist, dass sie nur von Menschen kommen können, die sich mit einer Sache nicht beschäftigt haben, so auch die Vorurteile über die Mundharmonika. Dabei wissen wir doch längst, dass solche Äußerungen mehr das Andichten von nicht vorhandenen oder unsinnigen Eigenschaften sind.

Leider begegnen wir in unterschiedlichsten Bereichen immer wieder Meinungen, die grundlos derart festgezurrt sind, dass die Menschen sich damit selbst um die Vielfalt der Möglichkeiten betrügen. Und da gibt es kuriose Sichtweisen, mit denen auch Musiker zu kämpfen haben:

1. Mundharmonika nur für wenige Musikgenres einsetzbar

Vorurteile über die Mundharmonika, Klappe die Erste: Das Instrument eignet sich nur für wenige Musikstile. Selbstverständlich kommt sie gerne in der Volksmusik, etwa beim Wandern, zum Einsatz. In der freien Natur grölen die Menschen „Das Wandern ist des Müllers Lust“. Dazu quietscht zwischendurch noch eine Mundharmonika. Und meistens sind die Singenden und die Mundharmonika sich über die Tonart nicht so ganz einzig. Soviel zum längst überholten Klischee.

Ein Strang orientiert sich sehr wohl an der Volksmusik, so auf der einen Seite die alpenländische Musik, andererseits die Shantys, wo die Mundharmonika wie  das Schifferklavier felsenfest in der Küstentradition verankert ist.  Tatsächlich ist das allenfalls ein winziger Auszug der Einsatzbereiche der Mundharmonika. Vielmehr gibt es zahlreiche musikalische Genres, in denen die Mundharmonika sich auf ebenso unterschiedlichen Wegen ihren Platz gesichert hat.

Wenn’s Spaß macht ist es gut, aber längst nicht alles | Foto: Shutterstock von Istvan Bedo

Über den Blues als Quelle fand die  Harp ihren Weg zu Folk und Country, weiter ging es zu Pop und Rock, außerdem dem Jazz. Es gibt zahlreiche aktuelle mundharmonikaspielende Stars wie Shakira, Aerosmith, Stevie Wonder, Green Day, Mick Jagger, Pitbull oder Coldplay.

Einen plakativen Eindruck erhalten wir beispielsweise durch die Signature-Modelle von Hohner. Mundharmonikas auf den Leib geschneidert hat Hohner u.a. dem Prince of Darkness Ozzy Osbourne. Die ist sogar stilsicher in einer sargförmigen Box verpackt.

Was wäre „Love Me Do“ von den Beatles ohne die Mundharmonika von John Lennon oder „The Wizzard“ von Black Sabbath ohne Ozzys‘ Harp-Sound? Dann wiederum der König der chromatischen Mundharmonika, Toot Thielemanns. Der virtuose Meister prägte den Jazz über Jahrzehnte, bis er 2016 im Alter von 94 Jahren verstarb. Schau mal hier:

Eines der Signature-Modelle des Königs der chromatischen Harp | Foto: von Thomann

2. Singer-Songwriter treffen die einzelnen Töne nicht

Hat man beide Hände an der Gitarre und die Harp an einem Mundharmonikahalter um den Hals geschnallt, lassen sich diverse Spieltechniken auf der Mundharmonika nur eingeschränkt bis gar nicht durchführen. Sind die Hände anderweitig beschäftigt, kann kein Cup auf der Harp gebildet werden. Dennoch möchten die auf diese Weise spielenden Folkmusiker den typischen Klangcharakter aus der Mundharmonika kitzeln.

Also wird beim Spielen zu einem Trick gegriffen. Der eigentlich durch den Cup entstehende variable Resonanzraum muss – zumindest annähernd –  durch den Mund- und Rachenraum nachgestellt werden. Für das Bending wiederum kann keine Handbewegung genutzt werden, also wird die Neigung des Kopfes leicht verändert. Was sich in der Fußgängerzone so leicht verstimmt anhört, ist keine mangelhafte Spieltechnik, sondern ein bewusst eingesetzter, gewollter Effekt, ein Stilmittel. Ein weiteres der Vorurteile über die Mundharmonika aus dem Weg geräumt.

Sind die Hände nicht frei, muss ein Mundharmonikahalter her | Foto: Shutterstock von Filippo Carlot

3. Auf der Blues Harp kann man nur Blues spielen

Auch das ist purer Nonsens, eines der typischen Vorurteile über die Mundharmonika. Grundsätzlich ist eine Blues Harp eine diatonische Mundharmonika, die in unterschiedlichsten Musikrichtungen zu Hause ist. Das prägende Hauptmerkmal ist, dass sie üblicherweise lediglich in einer bzw. zwei Tonarten spielbar ist. Das wiederum ist der Grund dafür, dass fortgeschrittene Blues-Harp-Spieler meistens gleich mehrere Instrumente in verschiedenen Tonarten bei sich haben.

Über die Musikrichtung, die mit diesem Instrument gespielt oder eben nicht gespielt werden kann, trifft die Bezeichnung „Blues Harp“ im Grunde genommen keinerlei Aussage. Dass die diatonische Tonleiter so bezeichnet wird, ist lediglich der Musikgeschichte geschuldet, zumal das Westentascheninstrument seinen Startschuss zum Siegeszug um die Welt im Blues gemacht hat. Korrekt hingegen ist, dass es sich bei der Blues Harp grundsätzlich um eine diatonische Mundharmonika handelt. Und zwar eine mit üblicherweise 10 Luftkanälen, den sogenannten Kanzellen.

4. Die Mundharmonika klingt immer ein wenig jaulend

Grundsätzlich falsch und eines der häufigsten Vorurteile über die Mundharmonika. Der Zwerg klingt melancholisch, bluesig, rockend, dann wieder klar und frei. Man sentimental, dann mit erdigem Blues-Charakter. Die Könner auf diesem Instrument zaubern eine immense Klangvielfalt aus der Mundharmonika. Das Klangspektrum der Mundharmonika reicht von gefühlvoll, zart und zauberhaft bis zu druckvoll treibend. Mit den stimmigen Spieltechniken ist die zur Verfügung stehende Ausdrucksvielfalt auf der Mundharmonika immens.

5. Mundharmonika-Spieler sind in Bands selten gefragt

Erst im Umkehrschluss wird ein Schuh aus diesem Statement. Es gibt deutlich mehr Gitarristen als Harp-Spieler. Wenigen Mundharmonikaspielern steht eine ganze Armada von Musikern gegenüber, die beispielsweise Bass, Keyboards, Drums oder sonstige Blasinstrumente spielen. Mit der Mundharmonika bist du also nichts Geringeres als eine Rarität. Nach einer Band wirst du nicht lange suchen müssen. Schließlich sind Harp-Spieler nicht nur in Blues- oder Country-Bands gefragte Kandidaten. Lass dir durch derartige Vorurteile über die Mundharmonika nicht den Spaß verderben, bevor er angefangen hat.

Gerade weil Harp-Spieler selten sind, sind sie gefragt | Foto: Shutterstock von LightField Studios

6. Die Mundharmonika ist allenfalls ein Nischeninstrument

Nun ja, keine Ahnung woher dieses der Vorurteile über die Mundharmonika kommt. Vermutlich, weil sie weniger häufig als Gitarre & Co. in der breiten Öffentlichkeit erscheint und seltener über die Bildschirme geistert. Von einem Nischeninstrument zu sprechen, ist aufgrund der Zahlen allerdings nicht haltbar. Der Bedeutung und Beliebtheit der Mundharmonika würde man damit nicht annähernd gerecht werden. Tatsächlich gehört sie zu den weltweit am meisten verkauften Instrumenten.

Schon sind einige Leser leicht verdutzt. Einen solchen Status hätte man ihr aus unserem Blickwinkel dann doch nicht zugetraut. Zum besseren Verständnis müssen wir uns aus unserem Mikrokosmos herausbewegen und weit über den eigenen Tellerrand blicken. In unseren hiesigen Breitengraden ist das Instrument beliebt. Unvergleichbar jedoch mit ihrer Verbreitung in Asien.

Insbesondere die Tremolo-Mundharmonika wird in China und weiteren fernöstlichen Ländern von Klassik und Pop überall eingesetzt. Zugleich gilt sie dort als das Einstiegsinstrument schlechthin. Es gibt diverse weitere Regionen und Musikrichtungen, in denen einfache und doppeltönige Mundharmonikas fest etabliert sind, beispielsweise die Roma- und Sinti-Musik, der Tango, die jiddische Musik und etliche mehr. Von Nische also keine Spur.

Ein beliebtes Beispiel für eine Tremolo-Mundharmonika findest du mit der Hohner Echo Mundharmonika 64 C-G auf dieser Produktseite auf thomann.de.

Tremolo-Mundharmonikas sind absolute Renner in Asien | Foto: von Thomann

7. Mundharmonika-Spieler spielen nur nach Gehör

Ein Klischee, eines der Vorurteile über die Mundharmonika, das nur aufgrund purer Unkenntnis gedeihen kann. Der Irrglaube, dass Harp-Spieler grundsätzlich keine Noten können oder benötigen, hat vermutlich mit der im Blues dominierenden Improvisation zu tun. Und beim Improvisieren liegt es nun mal in der Natur der Sache, dass hier „nach Gehör“ gespielt wird. Wobei auch das eine falsche Bezeichnung ist. Um im Blues zu improvisieren, muss man zwar nicht zwingend Noten können, aber zumindest wissen, welche Töne passen.

Außerdem spielt man nicht, was man über die Ohren hört. Das wäre eindeutig zu spät, immerhin klingt  der Ton dann bereits. Vielleicht können wir uns auf den Terminus „nach innerem Gehör spielen“ einigen. Und das ist dann nicht mehr das Gehör, sondern das Zusammenspiel aus Psyche und Gehirn.

Die Auflösung dieses Vorurteils geht aber weit darüber hinaus. Immerhin gibt es etliche Künstler, die auf der Mundharmonika klassische Werke mit ihren eigenen Interpretationen der großen Komponisten spielen. Das reicht von traditionellen Kompositionen bis zu Werken wie Operetten, Musicals oder Filmmusiken.

Ein bekannter Pionier auf der Mundharmonika, der bereits um 1930 Werke von George Gershwin einspielt, war Larry Adler. Auch er zählt zu den Legenden auf der Mundharmonika und auch ihm wurde ein Signature-Modell gewidmet. Wie beim Toot Thielemanns-Modell handelt es sich um eine chromatische Mundharmonika.

Einem der Pioniere der Mundharmonika gewidmet | Foto: von Thomann

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Die Mundharmonika ist keinesfalls nur ein Lagerfeuer-, Shanty- oder Wanderinstrument. Sie ist Rockstar, groovenden Blues-Lady, Pop-Ikone, Jazz- und Klassikinstrument. Wenn auch du Blut geleckt hast dir eine Harp zulegen möchtest, könnte dieser Artikel dich bei deiner Wahl unterstützen: „Mundharmonika lernen: Die Blues Harp“.

Keine Kommentare zu “7 Vorurteile über die Mundharmonika: Lieber an Fakten halten”
  1. Charlie

    Hallo zusammen, danke fürs Aufräumen mit Vorurteilen, das finde ich super! Allerdings haben sich zwei kleine neue Missverständnisse eingeschlichen: Punkt 2 – um das Bending zu erzeugen braucht man keine Hände, sondern eine bestimmte Bewegung/Form von Zunge und Kehle. Was bei den Straßenmusikern beschrieben ist, dürfte vermutlich das Spielen zweier oder auch mehrerer Töne gleichzeitig sein. Punkt 3 – Auf einer diatonischen Mundharmonika kann man prinzipiell in allen (!) Tonarten spielen – vorausgesetzt, man ist technisch gut genug. Richtig ist aber, dass man sich bei einer Bluesharp in aller Regel auf einige wenige Tonarten beschränkt, da viele Tonarten technisch einfach viel zu unpraktisch sind und auch klanglich nachteilig.

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