Die 1990er-Jahre waren nicht besser oder schlechter, als die Jahrzehnte danach oder davor, aber ganz sicher anders. Die Mode war schrill, politisch gab es eine Neuordnung der Welt und die Musik experimentierte mit der Digitalisierung. Auch wurde die Zeit schnelllebiger. Herausgekommen sind diverse 90er Hits aus unterschiedlichsten Musikrichtungen.
Check it: 90er Hits und ihre Besonderheiten
- Entstanden in einer politisch unruhigen Zeit
- Wie die Gesellschaft in den 90ern tickte
- Welche technischen Fortschritte es gab
- Wieso Speicherplatz das eigentlich Problem war
- Wie die Digitalisierung die Musikproduktion veränderte
- Welchen Einfluss die Musik-Videos hatten
- Welche Musik-Styles die 90er Hits dominierten
90er Hits: Nicht nur für die ewig Gestrigen
Leicht verständlich, dass die aktuellen Generationen die ewige Glorifizierung vergangener Zeiten kaum noch hören können. Wie soll man sich in der eigenen Gegenwart wohlfühlen und mit Zuversicht in die Zukunft blicken, wenn doch früher angeblich alles besser war? Nun, in den 90ern war ganz sicher nicht alles besser, das wäre ja auch irre. Aber es war vieles anders. Schauen wir doch mal gemeinsam hinter die Kulissen der Schätze von damals auf der Suche nach dem Geheimrezept der 90er Hits.
Zwischen Wiedervereinigung und Ausländerhass
Politisch waren die 90er-Jahre durch die Neuordnung der Welt nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 und der daraufhin folgenden Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990 geprägt. Nur folgerichtig war es auch gesellschaftlich ein Jahr des Wandels; eines, in dem viele aufeinander zugingen, in dem es allerdings bei aller Lebensfreude und Neugier auch dramatisch negative Ereignisse und Entwicklungen gab.
Der Kaufhauserpresser „Dagobert“ und die Entführung des Hamburger Millionärs „Jan Reemtsma“ hielten die Öffentlichkeit und Polizei in Atem; in Rostock warfen Rechte Brandsätze gegen Ausländer. 1991 bestimmten der Zweite Golfkrieg, die Kriege im ehemaligen Jugoslawien und die Auflösung der Sowjetunion das Weltgeschehen. 1993 gab es einen Bombenanschlag auf das World Trade Center in New York City. Es war also beileibe nicht alles gut. Soviel zur Glorifizierung einer Dekade.
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Eine Ära der schrillen und bunten Lebensfreude
Doch es war auch eine Ära der Lebensfreude der schrillen Mode mit engen Tops und Kleider, Miniröcke, Latzhosen und farbenfrohen Mustern, preppy und mit selbstbewusstem Blickfangfaktor. Marken wie Nike, Adidas, Champion oder Kappa wurden unglaublich populär (sofern sie das nicht schon in den 80ern waren). Süße Gaumen freuten sich über Brause-Ufos, Puffreis, PEZ-Bonbons oder Kirschlollis von Center Shock bis Hubba Bubba. Und die späteren Nerds profitierten davon, dass 1993 der erste massentaugliche Internet Browser entwickelt wurde. Und 1996 wurde Deutschland dann auch Fußballeuropameister.
Zu den Besonderheiten der 1990er-Jahre gehört sicherlich, dass die vielen Geschmäcker nebeneinander existierten, lebten und sich leben ließen. Vielleicht ist auch und gerade das einer der Gründe, weshalb die Älteren sehnsuchtsvoll und wehmütig zurückblicken. Und diese Koexistenz – um zu unserem Hauptthema zurückzukehren – galt eben auch in der Musik und für die 90er Hits.
Etablierung des HD-Recording im Pro-Bereich
Am Anfang der 90er wurden die technischen Entwicklungen des Vorgängerjahrzehnts in die nächste Stufe getrieben. So etablierte sich das HD-Recording zunächst im Professional-Bereich, setzte sich danach dann auch bei den Semiprofis und den Amateuren durch. Entscheidend war die in Fachkreisen sogenannte „digitale Schiene“, wodurch auch erstmals Alben ausschließlich am Computer entstanden.
Was heutzutage über die DAW geradezu selbstverständlich ist, war damals gewissermaßen ein Weltwunder. Die Musiker und Home-Produzenten begannen, am PC – meistens Atari – Songs zu erstellen, Hardware wie Synthesizer via MIDI einzubinden und per SMTP zu synchronisieren; selbstverständlich damals noch ohne Audiospuren. Ohne die die digitale bzw. analog-digitale Technik wären die 90er Hits mit ihrem eigenständigen Sound nicht denkbar gewesen.
Fortschrittlich, aber immer noch in lahmen Kinderschuhen
Ebenso wurden Anfang der 90er-Jahre digitale Aufnahmemaschinen allmählich bezahlbar. Plötzlich ließen sich mit dem ADAT Aufnahmen mit bis zu 128 Spuren oder stundenlange Mitschnitte machen, die bis dahin undenkbar waren, wodurch zahlreiche der 90er Hits überhaupt erst entstehen konnten. Selbstverständlich hatte das mit dem Harddisc-Recording, wie wir das heutzutage kennen, herzlich wenig zu tun.
Trotz technischer Meilensteine noch mit Schwächen behaftet
Die Hardware war schwach, die Betriebsprogramme ob Windows oder MacOS waren nicht annähernd ausgereift. Das Speichermedium der damaligen Zeit, auf dem die 90er Hits in der Produktion verewigt werden sollten, war die Compact Disc. Wollte man die Resultate auf CD brennen, hatte man Glück, wenn die instabilen Brenner weniger als die Hälfte an Ausschuss produzierten. Die Technik machte Meilenschritte, doch es war noch immer experimentell.
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Speicherkapazitäten waren gegenüber heute lächerlich
Zur Einordnung der Dimensionen: Harddiskrecorder kamen in der Regel auf eine Speicherkapazität von sagenhaften 60 Megabyte. (MB!), Rechner hatten einen Arbeitsspeicher von höchstenfalls 4 MB RAM. Nach heutigen Maßstäben waren das nicht mehr als etwas leistungsfähigere Taschenrechner.
Und erst Mitte der 90er kamen die ersten einigermaßen nutzbaren DAWs von Cubase und Notator mit Audioanbindung auf den Markt. Die Problematik war noch immer der geringe Speicherplatz. Speicherkapazitäten waren teuer und nicht annähernd mit den heutigen Größenordnungen vergleichbar. Home-Recording steckte allenfalls in den Kinderschuhen.
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Die Produktionstechnik war für Normalos unerschwinglich
Die 90er Hits waren noch immer eine Domäne der zahlungskräftigen Produktionsfirmen und großen Tonstudios.In den Studios und auch auf der Bühne arbeitet man mit Kühlschrankgroßen Racks. Obschon MIDI bereits im Jahr 1983 standardisiert wurde, setzte sich das Datenprotokoll erst in den folgenden Jahren wirklich durch, wovon schlussendlich erst die 90er Hits richtig profitierten.
Fortgeführt wurde, was in den 80ern begann
Bereits in der 80ern begann der große Run auf die ersten Digitalen Effekte, der Fundus der plötzlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten hatte dafür gesorgt, dass analoge Hall- und Echogeräte massenweise aus den Fenstern geschmissen wurden, die Produktionen erst vollkommen rocken gemacht und anschließend mit riesigen Hallfahnen aufgepumpt, oftmals auch mehrfach gedubbt wurden.
Leistungsfähige Plug-ins für die DAW gab es noch nicht
Vieles, was heutzutage an Plugins in die DAW integriert oder implementiert wird, gab es damals noch in Form von Hardware. Der Effekteinsatz wandelt sich sehr stark. Die ehemals neue Produktionstechnik wurde bei den 90er Hits nicht mehr in die Höhe getrieben. Vielmehr wurde wieder eher trocken gearbeitet. Vielfach wurden allerdings mit Drum-Computern experimentiert, so etwa dem Alesis HR16, wobei die Drums damals noch einen Raum-Hall besaßen.
Zwischen Autotune, Samples und Overdubs
Ebenso ließen sich die Stimmen für die 90er Hits ab etwa Mitte der Dekade einfach geradeziehen. Im Jahr 1996 kam Antares‘ Auto-Tune auf den Markt; bis dahin musste man wirklich noch singen können. Es gab diverse weitere technische Fortschritte, in den Studios wurde mit reichlich Overdubs und Samples gearbeitet und der Audio-Computer entwickelte sich zunehmend zum universellen Tool der Musikproduktion für die 90er Hits.
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Musikalisch drängten R’n’B, Pop, Grunge und Techno nach vorn
Techno war bereits in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre entstanden, wurde aber erst Anfang der 90er wirklich populär. Der R’n’B, Grunge und Pop bäumten sich auf und brachten zahlreiche 90er Hits hervor. Die erste Loveparade fand im Juli 1989 statt, im Jahr 1999 tanzten 1,5 Millionen gemeinsam, friedlich und unbeschwert zu elektronischer Musik.
90er Hits – Goldenes Zeitalter der Musikvideos
Tatsächlich gab es in den Jahren kaum noch einen der 90er Hits, der nicht durch ein Musikvideo gepuscht wurde. Die Musikindustrie hatte auch durch die voranschreitende Digitalisierung das Marketinginstrument für sich entdeckt, das immer neue Blüten treiben sollte. Tatsächlich waren es keinesfalls die ersten Musikvideos, das erste stammt sogar aus dem Jahr 1890.
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Außerdem gab es ja bereits das den immens teuren Queens Clip zu Bohemian Rhapsody aus 1975 oder den Clip zu Video Killed the Radio Star von den Buggles aus 1981, mit dem MTV seinen Sendebetrieb aufgenommen hatte. Doch in den 90ern sollten die Musikvideos eine echte Highlight-Zeit erleben, zumal die Produktionsmöglichkeiten immer günstiger wurden. Es war nichts Geringeres als ein visueller Hype im Rahmen der 90er Hits.
U 96 – Das Boot – Techno-Version 1991
Die Szene nahm mit den neuen technischen Möglichkeiten frisch an Fahrt auf. Ein super Beispiel dafür ist der Song „Das Boot“, den Klaus Doldinger zwar schon im Jahr 1981 zum namensgleichen Film auf den Markt gebracht hatte, der aber erst 1991 zu einem der 90er Hits schlechthin wurde, nämlich in der Techno-Version des Musikprojekts U96 zum einem der bekanntesten 90 Hits der Techno-Szene in Europa wurde. Der Song plakatierte gewissermaßen die deutschsprachigen Charts, wanderte in Deutschland, der Schweiz und Österreich auf Platz eins; blieb in Deutschland sagenhafte 32 Wochen in den Bestenlisten. Und ja, eigentlich war das bereits Popmusik mit Techno-Elementen, der Track sorge aber ganz fleißig dafür, dass Techno auch zum Massenphänomen wurde.
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Mehr InformationenU 96 – Das Boot
Nirvana – Smells Like Teen Spirit
Tatsächlich tat sich in den 90ern so eigenes; viele Trends waren bereits zuvor geboren, wie etwas die elektronischen Tanzmusik, erwuchsen aber erst später zu echten Highlights mitsamt den bekannten 90er Hits. So war auch der Grunge eine typische Musikrichtung der 90er-Jahre. Zu den ikonischen und nicht minder tragischen Acts gehörte etwa Nirvana mit Frontmann Kurt Cobain, die 1991 den 90er Hit „Smells Like Teen Spirit“ ablieferten, der noch heute als Sountrack einer ganzen Generation gilt. Grunge war in musikalischer Hinsicht eine Mischung mehrerer rockiger Stile, ohne sich dabei musikalische Perfektion zu eigen machen zu wollen.
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Mehr InformationenNirvana – Smells Like Teen Spirit (Official Music Video)
Britpop als Antwort auf Grunge
Ebenso entstand in dem Jahrzehnt der Britpop als neues Rock-Genre, mit dem eine Gegenbewegung zum Grunge eingeläutet wurden. Ganz im Stil der alten britischen Tradition besann der Britpop sich mit Bands wie Oasis, Blur oder Pulp auf Gitarren-lastige Rockmusik. Mit „Wonderwall“ platzierten die Gallagher-Brüder 1995 einen der unvergessenen 90er Hits. Später standen sie immer wieder wegen ihrer Auseinandersetzungen in den Medien, trennten sich auch irgendwann. Bis dahin waren sie allerdings längst zu absoluten Giganten der Musikgeschichte geworden.
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Mehr InformationenOasis – Wonderwall (Official Video)
Boygroups und Girl-Groups mit 90er Hits
Wie selbstverständlich behaupteten sich diverse weitere Genres, neben Grunge, Brit-Pop, Metal, Pop und Co. So traten die typischen Boy-Groups und Girl-Groups mit Take That, Caught in the Act, den Backstreet Boys und Boyzone, den Spice Girls, Sugababes und später dann die No Angels ins Rampenlicht. In der Regel waren das reine Casting-Bands, die vom Management passend zusammengestellt wurden. Zu den Besonderheiten zählte, dass die Groups eben nur aus männlichen oder nur aus weiblichen Mitgliedern bestanden, selbst im Alter ihrer Fans waren und keine Instrumentalisten, sondern eben Sänger, Tänzer und Entertainer waren.
Und dann noch einer für die Metal-Heads
Und für die Metal-Fans: Am 24. und 25. August 1990 wurde eine echte Institution erstmals ins Leben gerufen: das Wacken Open Air. Im ersten Jahr pilgerten gerade mal 800 Metal-Heads in die Sandkuhle zu Pommes-Finger und Headbangen. Bei der 32. Ausgabe im Jahr 2023 waren rund 85.000 Fans angekündigt; aufgrund der massiven Regengüsse und des verschlammten Geländes könnten aber „nur“ 61.000 Metal-Maniacs dabei sein. Begonnen hat das friesische Mega-Spektakel in den 90ern.
Abschließend noch ein Hinweis: Ein solcher Artikel kann und soll auch gar nicht allumfassend sein. Wir haben uns hier ganz bewusst ein paar Sachen rausgepickt und viele andere Dinge aus den 90ern weggelassen. Dieser Artikel soll dein Interesse an mehr zu den 90ern wecken! Du willst mehr wissen? Dann kauf dir ein Buch über die 90er. Kleiner Tipp: Eins wird nicht reichen, wenn du wirklich alles wissen willst. Noch besser: Du redest mit Menschen, die dabei waren. Aber wie du oben lesen konntest, waren die Szenen vielfältig und Menschen entsprechend unterschiedlich unterwegs. Du wirst also für ein wirklich umfangreiches Bild mit vielen Menschen reden müssen. Wir wünschen dir viel Spaß auf deiner Entdeckungsreise!
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