Orchestermusiker werden – Traumjob oder pure Unsicherheit

Nur die Besten kommen durch

Foto: Shutterstock von Stokkete

Es ist ein Ziel zahlreicher Musiker im klassischen Sektor: Traumjob Orchestermusiker. Allen ist bewusst, dass der Weg dorthin alles andere als einfach ist. Verbleibt die Frage, welche Steine man beiseite räumen muss und welche Herausforderungen gestellt werden, wenn man Orchestermusiker werden möchte.

Check it: Orchestermusiker werden und der steinige Weg

  • Eine Prüfung folgt der nächsten
  • Studium keine Garantie für eine Orchesterstelle
  • Vernünftiges Gehalt mit großen Spannen
  • Aspiranten als Opfer der Subjektivität
  • Werde zum erlesenen Könner deiner Disziplin

Orchestermusiker werden – eine Prüfung folgt der nächsten

Egal, was man macht, es gibt immer erstmal eine Aufnahmeprüfung. So also auch bei der Musikhochschule bzw. dem Konservatorium. Die vorhandenen Studienplätze sind rar und spiegeln nicht annähern die Anzahl derer, die gerne Musik studieren möchten. Vielmehr ist es aktuell so, dass auf einen Studienplatz etwa zwanzig Bewerber kommen. Das heißt, dass man sich mit seinen musikalischen Fähigkeiten am Instrument als auch in den benachbarten Themen wir Gehörbildung etc. bereits auf hohem Niveau befinden musst, um sich gegen die zahlreichen Mitbewerber bei der Aufnahmeprüfung auch durchzusetzen.

Üblicher Studienaufbau wie an der herkömmlichen Uni

Hat man einen der begehrten Studienplätze an der Musikhochschule bekommen, ist das Studium wie an jeder anderen Uni aufgebaut. Zunächst wird bis zum Bachelor studiert, anschließend folgt der Master. Und wer will, kann noch bis zum Doktortitel weitermachen. Ist das Studium erfolgreich absolviert, bewirbt man sich bei einem Orchester für eine der ausgeschriebenen Stellen. Und schon man mit dem Vorspielen wieder vor einer „Aufnahmeprüfung“.  Da kann es schon vorkommen, dass einem die Finger zittern, immerhin ist das Vorspiel wie ein Wettkampf, aus dem nur die Besten als Gewinner hervorgehen.

Ohne Musikstudium geht gar nichts | Foto: Shutterstock von AlexanderLipko

Studium ist keine Garantie für eine Orchesterstelle

Tatsächlich bedeutet das, selbst wenn du viele Jahre geübt und anschließend studiert hast, ist das noch lange keine Garantie dafür, anschließend auch eine Stelle in einem Orchester zu bekommen. Eine weitere Problematik in diesem Zusammenhang ist erstens, dass die Orchesterstellen in vielen Fällen befristet sind, oftmals auf zwei Jahre, und zweitens der Konkurrenzkampf auf diesem Niveau niemals endet. Der Druck bleibt dauerhaft vorhanden, zumal permanent Höchstleistungen gefordert werden. Zur Wahrheit gehört auch, dass manche Musiker nie eine feste Stelle bekommen.

Persönliche Skills wie Selbstdisziplin unverzichtbar

Wenn man Orchestermusiker werden möchte, sind einige persönliche Skills neben dem vorhandenen Talent unabdingbar. Ohne Selbstdisziplin kann der Weg auf lange Sicht nicht funktionieren, nicht mal auf kurze. Die Fähigkeiten am Instrument müssen tagtäglich trainiert werden, die jeweils im Orchester gespielten Werke bis ins letzte Detail fehlerfrei und mit großem Ausdruck gespielt werden.

Hinzu kommen die regelmäßigen Proben, die meistens recht früh beginnen, bei denen die Musiker aber in der Regel noch weitaus früher anwesend sind, um sich einzuspielen. Orchestermusiker haben zwar offiziell freie Zeiten zwischen den Proben und den Konzerten. Wirklich frei haben sie aber eigentlich nie. Wer Orchestermusiker werden möchte, kann den Job mit den Herausforderungen eines Hochleistungssportlers vergleichen.

Selbstdisziplin als unverzichtbare Grundvoraussetzung | Foto: Shutterstock von Motortion Films

Vernünftiges Gehalt erwartbar, allerdings mit großen Spannen

Wer es geschafft hat und eine Stelle im Orchester bekommt, kann von einem durchaus vernünftigen Einkommen ausgehen. Der Durchschnitt liegt bei knapp 4.000 Euro brutto monatlich bei 40 Wochenstunden. Dabei muss man allerdings von immensen Gehaltspannen ausgehen, wodurch der Durchschnittswert für die unteren Gehaltsgruppen nicht mehr so euphorisch wirken dürfte.

Nicht selten ist die Entlohnung Verhandlungssache, wobei auch die Erfahrung und der eigene Bekanntheitsgrad mit einfließt. Beispielsweise bei den Philharmonikern liegen die Verdienste laut Tarifvertrag bei etwa 7.000 Euro Grundgehalt, hinzu kommen die Zuschläge für Solisten, die sich zwischen etwas mehr als 1.000 Euro bis zu etwa 2.200 Euro bewegen. Dann gibt noch die Rundfunkpauschalen und etwaige Familienzulagen.

Exzellente Fähigkeiten bereits in jungen Jahren

Um Erfolg zu haben, muss man schon aufgrund der Konkurrenzsituation bereits in jungen Jahren mit exzellenten Fähigkeiten glänzen und ein gutes Nervenkostüm beweisen. Bereits bei den Eignungsprüfungen wird die Spreu erstmals vom Weizen getrennt. Und die Annahme, man müsse sich anschließend gegen lediglich ein paar andere Musiker durchsetzen, ist eine weitere Illusion.

Bei angesagten Orchestern gehen auf eine Stelle locker mal zwischen hundert und zweihundert Bewerbungen ein. Und wenn wir uns die Zahlen genauer betrachten, wird der Faktor Unsicherheit noch mal verdeutlicht: Knapp 5.000 Orchestermusiker haben von 1993 bis 1997 ihr Ausbildung abgeschlossen. Dem standen 1998 bis 2002 nur noch etwa 850 freiwerdende Stellen gegenüber.

Nicht jeder ist mit Wunderkind-Gaben gesegnet | Foto: Shutterstock von Marzolino

Probespiel ist ein Stressfaktor in einer Extremsituation

Das Probespiel in einem Orchester ist ein weiterer Stressfaktor. Das Spiel finden üblicherweise mit dem kompletten Orchester statt und geht über mehrere Runden. Dabei werden die Kandidatinnen und Kandidaten von dem gesamten Orchester beurteilt. Dabei werden die Fähigkeiten in verschiedenen Genres geprüft, so etwa Klassik oder Romantik. Auch werden solistische Fähigkeiten oder der Einsatz bei Orchesterstücken abgehört.

Manche Musiker haben vierzig und mehr Probespiele absolvieren müssen, bis sie einen festen Vertrag bekommen haben. Und wenn wir dann auch noch Äußerungen aus der Szene hören, es sei „(…) trotz des Überangebots schwer, die Stellen mit geeigneten Musikern zu besetzen“, wird deutlich, dass es für viele, die Orchestermusiker werden wollen, auf Dauer ein nicht erreichter Traum bleibt. Wer’s doch schafft, lebt seinen Traum mit der wirklichen Liebe zur Musik.

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Aspiranten als Opfer der Subjektivität

Nicht zu vergessen, dass die Beurteilung der Fähigkeiten auf solch hohem Niveau auch immer subjektiv ist. Das will sagen: Die Spielweise der jeweiligen Instrumentalisten muss ebenso zu der Vorstellungen des Orchesters passen. Bereits beim Vorspielen muss diese musikalische Symbiose entstehen, diese Synergie der Einzelmusiker und des gesamten Orchesters, die erst für den gewünschten Gesamtklang sorgen kann.

Daraus resultiert wiederum die leicht paradoxe Schlussfolgerung, dass man noch so virtuos auf seinem Instrument sein kann, aber die Stelle trotzdem nicht bekommt, weil auch der Sympathiefaktor eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Fakt bleibt, wer Orchester-Musiker werden möchte, hat es nicht leicht.

Stellen werden aufgrund Auflösung und Fusionierung weniger

Tatsächlich werden die Stellen seit bereits seit Jahren sogar weniger, zumindest hierzulande. Glänzte gerade Deutschland lange Zeit mit einem rosigen Bild blühender Musiklandschaften, befindet sich das im für Orchestermusiker negativen Wandel. Manche Orchester werden geschlossen, andere fusionieren, was ebenfalls gleichbedeutend mit Stellenstreichungen ist. Dementsprechend steigt der Konkurrenzkampf, es sind schlichtweg immer weniger freie Stellen vorhanden.

Und demgegenüber steht eine Flut von Musikerinnen und Musikern, wie sie in einer solchen Relation nur selten vorhanden war. So war es in den 1960er-Jahren so, dass hierzulande eine deutlicher Nachwuchsmangel herrschte. Über die Hälfte der Musiker mussten aus dem Ausland verpflichtet werden. Das hat sich locker mal auf den Kopf gestellt. Zeitgleich haben die Ansprüche bei den Probespiel unverhältnismäßig zugenommen. Und wieder stellt sich die Frage für diejenigen, die Orchestermusiker werden wollen, ob es sich tatsächlich um einen Traumberuf handelt.

Etliche Orchesterstellen werden gestrichen | Foto: Shutterstock von Tricky_Shark

Der Faktor Zeit darf nicht unterschätzt werden

Die Zeit spielt eine nicht unerhebliche Rolle, wenn es um den erfolgreichen Karrierestart als Orchestermusiker geht. Dass die musikalischen Fähigkeiten frühzeitig aufgebaut werden müssen, haben wir bereits beleuchtet. Und selbstverständlich verstreichen auch ein paar Jahre beim Studium, so wird der Bachelor of Music üblicherweise nach 8 Semestern, der Master of Music nach weiteren 4 Semestern abgelegt. Und dann sollte man möglichst umgehend eine Stelle bekommen. Wer das mit 30 Jahren noch nicht geschafft hat, hält schlechte Karten in den Händen und gehört als Nachwuchsmusiker aus Sicht vieler Orchesterverantwortlichen bereits zum alten Eisen.

Orchestermusiker werden nur erlesene Könner ihrer Disziplin

Verbleibt angesichts dieser Realitäten die Frage, weshalb insbesondere junge Menschen Orchestermusiker werden wollen und sich in diese Netz der Unsicherheiten begeben wollen. Nun, sicherlich ist es zunächst die Liebe zur Musik im Zusammenspiel mit einer gehörigen Portion Idealismus. Eine Stelle in einem Orchester zu bekommen, ist somit auch eine Ehre, in einem renommierten Orchester erst recht. Vielleicht darf man das Thema auch sportlich betrachten.

Wie viele träumen von einem Leben als Profi-Fußballer? Gebolzt wird überall, schon in der Sandkiste oder auf dem Rasen vor dem Haus, dann im Fußballverein. Und wie wenige erhalten die Chance, in der Bundesliga zu spielen, obwohl sie die unterschiedlichsten Leistungszentren durchlaufen haben? In einem renommierten Orchester die Werke der genialen Komponisten zu spielen, ist wie die Champions League im Fußball. Bis dorthin schafft es eben nur eine erlesene Auswahl.

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Auch interessant: „Konzertmeister im Orchester – Position in der musikalischen Hierarchie“.

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