Der Taktstock ist und bleibt das Instrument der Dirigenten. Zwar erzeugen die damit keine Töne, bringen aber das gesamte Ensemble, Orchester oder den Chor zum Klingen. Einst war der Dirigentenstab ein Machtsymbol, heutzutage ist er das künstlerische Kommunikationsmittel, um die beste und schönste Musik erklingen zu lassen.
Check it: Der sagen- und geheimnisumwobene Taktstock
- Verlängerter Unterarm des Dirigenten
- Vom Metrumstock zum Dirigentenstab
- Sichtbarkeit im dunklen Orchestergraben
- Unterschiedliche Materialien mit Trend zu Carbon
- Aus Markneukirchen in die ganze Welt
Der Taktstock als verlängerter Unterarm des Dirigenten
Hauptsächlich wird der Taktstock von Dirigenten dazu verwendet, ihren Bewegungsspielraum zu erweitern und zu optimieren, der mit der Leitung eines Musikensembles verbunden ist. Der Dirigentenstab gibt ihnen die Möglichkeit, mit vielen Gesten die Interpretation der Musik nuanciert und punktgenau wiederzugeben. Zugegeben, manche nutzen ihn als Zeichen der Autorität; gemeinhin aber ist der Taktstock eher vergleichbar mit einem Pinsel, durch den die Musik in den Raum gemalt und coloriert wird. Tatsächlich erweckt das kleine „Instrument“ die Musik auf magische Weise zum Leben.
Vom Taktstock zum Dirigentenstab
Dass der Taktstock erstens überhaupt zum Einsatz kommt und zweitens derart klein und zart wie heutzutage ist, war übrigens nicht immer so. Vielmehr blickt er in seiner heutigen Form auf eine vergleichsweise kurze Geschichte. Zudem war er anfangs eher nicht dafür vorgesehen, die musikalische Interpretation des Ensembles, Orchesters oder Chors zu nuancierte und dynamisch zu formen. Obschon es erste Hinweise auf die Verwendung eines Taktstocks bereits aus der Zeit um das Jahr 1500 gibt, wurde er bis in die Romantik hinein schlichtweg dafür genutzt, das Metrum des Stücks vorzugeben und somit die Musiker im musikalischen Kontext zusammenzuhalten.
Anfangs war es ein lautstarkes Metrum
Allerdings nicht durch die verzaubernde Bewegung in der Luft und üblicherweise auch nicht in der Form eines Dirigentenstocks. Es ging nahezu ausschließlich um den Takt, das Metrum. Ein personifizierter Taktschläger stampfte mit einem Stock – einem großen Zeremonienstab – auf den Boden, schwenkte Notenblätter in Form einer Papierrolle oder schlug auf ein Notenpult oder mit einem so gar nicht kleinen Knüppel auf einen Tisch, gewissermaßen wie ein überdimensionales Metronom. Das konnte und sollte selbstverständlich keinesfalls geräuschlos funktionieren. Schließlich sollten die Instrumentalisten das Metrum hören.
Die Zuhörer wollten keinen lauten Taktgeber
Bei den Zuhörern allerdings kam das gar nicht gut an; viele derer missbilligten die durchaus laute Weise des Dirigierens und äußerten sich immer wieder geradezu empört. Tatsächlich gab es zwischen den Taktschlägern des Barock und den aktuell zeitgemäßen Vorstellungen des Dirigierens mit dem kleinformatigen Taktstock wenige bis gar keine Übereinstimmungen. Letztlich war es bis dahin ein vollkommen anderer Ansatz, was sich auch aufgrund der zunehmenden Größe der Ensembles bis hin zum vielköpfig besetzten Orchester im Laufe der Zeit veränderte. Dabei sollte uns vor dem Hintergrund der Geschichte auch bewusst sein, dass es damals nicht mal den Dirigenten gab. Stattdessen gab es noch im 18. Jahrhundert diejenigen, die das Ensemble unmittelbar von ihrem Platz aus koordinierten, nämlich die Cembalisten oder Geiger.
Als die Werke komplexer wurden
Spätestens ab dem 19. Jahrhundert wurden die Werke komplexer als auch nuancenreicher sowie detailgenauer in der Partitur notiert. Gleichwohl wurden die Orchester größer. Erst in dieser Zeit sah man sich veranlasst, den Dirigenten im heutigen Sinne einzusetzen. Dabei reichten und reichen die Aufgaben des Maestro weit über das reine Koordinieren und Organisieren hinaus. Der Dirigent interpretiert die musikalischen Werke; die Musiker sind letztlich das versiert ausführende Organ seiner Interpretation. Ebenso ist der Taktstock die Konturierung der händischen Bewegungen des Dirigenten und gibt den Ensemblemusikern die erforderliche und teils auch gewünschte Orientierung. Indes der Dirigent den Taktstock in der rechten Hand Hält, zeichnet er damit das Metrum als Puls des Werkes, gibt Einsätze und verdeutlicht musikalische Betonungen und Bewegungen. Mit der anderen Hand hingegen formt, coloriert und orchestriert der Dirigent die expressive Dynamik.
Sichtbare Bewegungen – Orientierung im Dunkeln
Keinesfalls vergessen darf man dabei die räumliche Distanz zwischen dem Dirigenten und dem groß besetzten Orchester. Vollkommen plakativ ausgedrückt: Die Instrumentalisten und Sänger befinden sich teils weit entfernt, müssen die Bewegungen des Dirigenten aber auch sehen können. Durch den Taktstock werden die Dirigierbewegungen vergrößert, sodass auch die weiter entfernt platzierten Musiker innerhalb des Ensembles die dirigierenden Anweisungen sehen können.
Hell, fluoreszierend, leuchtend, beleuchtet
Eine Anforderung, der übrigens auch im üblicherweise schlecht bis gar nicht beleuchteten Orchestergraben sinnvollerweise mit einer hellen Farbe oder einem nachleuchtend fluoreszierenden Materials des Dirigentenstabs begegnet wird, sodass er sich kontrastierend von der Dunkelheit abhebt. Auch kommen beleuchtete bzw. leuchtende Taktstöcke zum Einsatz, die dann in der Regel an der Spitze mit einer LED ausgestattet sind, die wiederum über einen Akku im Griff mit der notwendigen Spannung versorgt wird. Das Orchestergraben-Kuriosum am Rande: Der schwarz gekleidete Dirigent ist nicht zu sehen, der helle oder gar leuchtende Taktstock durchaus.
Unterschiedliche Materialien mit Trend zu Carbon
Die Liste der Materialien und Gegenstände, mit denen Dirigenten im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte den Takt vorgegeben haben, ist ellenlang. Hauptsache man verlängerte den Unterarm des Maestros. So kamen zusammengerollte Notenblätter zum Einsatz, Geigenbögen und sogar Zahnstocher und vieles mehr. Zumal die Dirigenten eine ganz persönliche Beziehung zu ihrem „Instrument“ entwickeln, gab es allerdings auch bald den Wunsch nach der besonderen Ästhetik. Und so wurden die Taktstöcke lange Zeit aus Holz mit jeweils speziellen Eigenschaften gefertigt, oftmals individualisiert, nicht selten den Dirigenten wie ein Maßanzug auf den Leib geschnitten.
Problemlöser gegen wutentbrannte Dirigenten
Holz als Naturmaterial hatte zwar den Vorteil der Authentizität und Ausgewogenheit. Doch spätestens wenn ein Kapellmeister zu unwirsch bei den Proben damit aufs Pult klopfte, selbsternannte Dirigentenhalbgötter wie Arturo Toscanini ihn aus Wut ins Orchester pfefferten oder ihn nach der letzten Kadenz selbstverliebt ins Publikum warfen, konnte der Taktstock leicht beschädigt werden und sich mit der gehissten weißen Fahne verabschieden. Heutzutage wird aus Gründen der Gewichtsersparnis und der Stabilität bei Taktstöcken oftmals auf Fiberglas oder Carbon gesetzt. So etwa auf den Pick Boy Modell E Taktstock aus Carbon, der mitsamt Korkgriff eine Länge von 380 mm hat, extrem leicht ist und bruchsicher in einer Röhre verpackt geliefert wird.
Nun gut, herkömmliche Taktstöcke aus Holz kosten sicherlich nicht die Welt, die kann man auch mal wutentbrannt als Wurfgeschoss benutzen. Wichtig ist insbesondere die Ausgewogenheit und der gut in der Hand liegende Griff. Auch zu sehr günstigen Preisen lassen sich Taktstöcke für den Normalgebrauch kaufen. Ein Renner ist seit vielen Jahren der Gewa Baton 912320, ein von handgearbeiteter Dirigentenstab mit weiß lackiertem Schaft und Holzgriff. Ebenfalls beliebt ist der Muramatsu Batons K-13-Series 33cm Maple, der in Japan von Hand gefertigt wird und mit einem weißen Schaft aus Ahorn sowie einem Griff aus natürlichem Kork ausgestattet ist.
Individuelle Vorlieben der Dirigenten
Tatsache ist, dass jeder Dirigent seine eigenen Vorlieben hinsichtlich der Länge, des Materials der Haptik und Ästhetik hat. In der Regel wird der Taktstock nach der Größe des Dirigenten gewählt oder eben angepasst, wobei die Länge in etwa dem Abstand zwischen Ellenbogen und Handfläche entspricht. Gerade für die Stardirigenten auf dem Podium wird der Taktstock oftmals maßgeschneidert. Das jedoch ist keinesfalls der Normalfall. In der Regel entstehen die Taktstöcke in Serienfertigung, in maschinengestützter Handarbeit.
Aus Markneukirchen in die musikalische Welt
Zu den führenden deutschen Herstellern gehört die Firma Rohema, zugleich die einzige Taktstockmanufaktur in Europa. Der Markenname Rohema steht für Robert Hellinger Markneukirchen, wobei es sich um einen Familienbetrieb in mittlerweile fünfter Generation handelt. Rund 20.000 Taktstöcke werden von hier aus jährlich in die musikalische Welt exportiert. Versorgt werden damit neben den Normalkunden renommierte Dirigenten wie Simon Rattle, Simone Young, Daniel Barenboim oder Christian Thielemann. Markneukirchen im sächsischen Voigtland ist bekanntlich sein Jahrhunderten ein Zentrum, geradezu ein Epizentrum des Instrumentenbaus.
Manche Dirigenten arbeiten ohne Taktstock
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass beileibe nicht alle mit dem Taktstock arbeiten. So gibt es diverse Dirigenten, die auf den Stab bewusst verzichten, zumal sie sich dadurch auf unnatürliche Weise in ihrer Bewegungsfreiheit eingeengt empfinden. So ist es beispielsweise bei Chordirigenten weit verbreitet, dass sie statt eines Taktstocks schlichtweg die beiden Hände benutzen. Resultat ist, dass die Chorleiter den Ton mit beiden Händen und den speziellen Bewegungen der Hände expressionistisch formen können.
Taktstock als echter Lieferant von Emotionen
Offensichtlich ist es also auch vom jeweiligen Szenario abhängig, ob der Dirigent einen Taktstock nutzt oder nicht. Zuweilen legen sie den Stab auch für spezielle Passagen oder wenn sie kleinere Ensembles leiten beiseite. Auch kann das bei sehr komplexen Werken der zeitgenössischen Musik oder bei langsamen Sätzen der Fall sein. Es kommt eben immer darauf an. Wichtige Erkenntnis: Den Taktstock hört man nicht; was er allerdings mit dem Orchester bewirkt, hört man durchaus. Der Taktstock ist eines der filigransten musikalischen Arbeitsgeräte schlechthin, ein echter Emotionen-Lieferant.
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