Akustikgitarre aufnehmen – eine machbare Spezialdisziplin

Tipps und Tricks für das Recording von Akustikgitarren

Foto: Shutterstock von PV productions

Einfach irgendwo ein Mikro hinstellen und schon wird das mit dem Recording der Akustikgitarre schon klappen. Der Schall kommt doch aus dem Schallloch, was soll da schon passieren? Leider nein, ganz so einfach ist das nicht. Wenn du Akustikgitarre aufnehmen möchtest, stehst du vor komplexen Herausforderungen.

Check it: Tipps für das Recording der Akustikgitarre

  • Vorbereitung mit frischen Saiten und passender Stimmung
  • Anforderungen an das zwingend saubere Spiel
  • Entstanden aus Geld- und Platzmangel
  • Piezo möglich mit Einschränkungen
  • Vernünftige Mikrofonierung
  • Platzierung und Ausrichtung

Akustikgitarre aufnehmen – komplexer als auf Anhieb vermutet

Die Akustikgitarre ist eben kein nur punktuell abstrahlendes Instrument. Du kannst nicht einfach ein Kabel reinstecken wie in ein Keyboard und glauben, damit kämst du zu vernünftigen Ergebnissen. Auch wirst du mit Aufnahmetechniken wie beispielsweise bei einer E-Gitarre mit druckvollem Verstärker und Box nicht weit kommen. Möchtest du Akustikgitarre aufnehmen, gibt es eine grundlegende als auch akustische Aspekte zu beachten.

Vor der Aufnahme dringend frische Saiten aufziehen

Die akustische Gitarre gehört als besaitetes Naturinstrument zu denjenigen Kandidaten, bei denen du einen wirklich erwartbar authentischen Sound aufnehmen willst. Aber wie klingt dieser Sound? Der Klang einer Akustik-Gitarre, insbesondere der Westerngitarre, sollte klar und präsent, homogen und höhenreich sein. Außerdem wichtig ist die harmonische Klangformung über den Korpus als Resonanz-Medium. Das ist der Sound, den unsere Ohren von einer akustischen Gitarre erwarten. Abgewetzte oder bereits korrodierte Saiten sind nicht mehr imstande, diese Klangattribute zu liefern. Bevor wir die Akustikgitarre aufnehmen können, müssen also erst mal frische Saiten aufgezogen werden. Du willst ja keinen annähernd glaubhaften, sondern den perfekten Sound.

Mit gegriffenen Saiten auf Tonart ausgerichtet stimmen

Akustische Gitarren sind nicht nur verstimmungsanfällig. Vielmehr lassen Sie sich nach dem Prinzip des wohltemperierten Klaviers niemals wirklich vollkommen perfekt stimmen. Aber zumindest gibt es Näherungswerte, womit du dem Ergebnis extrem nahekommen kannst. Als geneigter Einsteiger wird man die Gitarre üblicherweise mit leeren Saiten und einem digitalen Tuner stimmen. Das mag für normale Sessions genügen. Wenn du die Akustikgitarre aufnehmen willst, genügt diese – sorry – oberflächliche Herangehensweise nicht. Bereits dann, wenn du die Saiten bei Greifen niederdrückst, entstehen Abweichungen in der Stimmung. Nur folgerichtig bedeutet das, dass du die Gitarre mit gegriffenen Saiten stimmst. Schließlich muss das Instrument stimmen, wenn du spielst. Und weil sie bei verschiedenen Tonarten und Griffen eben nicht übergreifend perfekt gestimmt werden kann, nutzt du beim Stimmprozess die jeweiligen Griffe der Tonart, in der das aufzunehmende Stück geschrieben ist.

So wird das nix; die Saiten müssen frisch und gestimmt sein | Foto: Shutterstock von Produced By Mama_Tao

So sauber spielen, wie vermutlich noch nie zuvor

Wenn du die Akustikgitarre aufnehmen möchtest, sei dir dessen bewusst, welche Bedeutung hier der Purismus hat. Das Instrument liefert den Ton, aber woher kommt der Ton? Er ist das Ergebnis deines Spiels und deiner Spieltechnik. Nur wenn du sauber greifst und anschlägst, kann das klingende Ergebnis ansprechend sein. Das Mikrofon ist in dieser Hinsicht gnadenlos. Einerseits kann es nichts hinzufügen, was nicht vorhanden ist. Auf der anderen Seite wiederum wird es jedes Knirschen, jede unbeabsichtigt mitschwingende Saite und jedes unschöne Nebengeräusch mit aufnehmen. Mit aufwendiger Technik kann man manche der Störenfriede nach der Aufnahme über die DAW wieder entfernen. Darunter aber leider wiederum der durch Authentizität überzeugende Gesamtklang. Sauberes Spiel hat für dich oberste Priorität.

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Abnahme über Piezo-Tonabnehmer möglich, aber fraglich

Stellt sich als nächstes die Frage, wie du die Akustikgitarre aufnehmen willst. Oder treffender ausgedrückt: Wie du sie abnehmen willst. Etliche akustische Gitarren haben ein Preamp-System mit an Bord, also in den meisten Fällen einen Piezo-Tonabnehmer. Piezo-Tonabnehmer sind keramische Tonabnehmer, die auf den Saitendruck reagieren und somit eher nicht den wirklich realen Klang übertragen. Klanglich haben diese Systeme insbesondere bei der Aufnahme einige Nachteile. Vorteilhaft ist erstens, dass der Anschluss simpel ist, und zweitens, dass die Gitarre ohne Raumklang, nahezu trocken aufgenommen werden kann.

Piezo kann man machen, aber die Ergebnisse halten sich in Grenzen | Foto: Shutterstock von Nikorn Kulatnam

Lieber gleich vernünftige Mikrofone verwenden

Bessere Resultate erreichst du üblicherweise, bei der Abnahme über Mikrofone. Häufig zum Einsatz kommen Kleinmembran-Kondensatormikrofone. Und bei diesen Kandidaten fällte die Wahl zumeist auf solche mit Nierencharakteristik. Der entscheidende Vorteil ist, dass diese Mikrofone ausreichend sensibel sind und einen vernünftigen Frequenzgang haben, um die facettenreichen Frequenzen einzufangen, wenn du die Akustikgitarre aufnehmen willst. Der Klang ist zumeist neutral und gleichermaßen natürlich. Exakt das ist es, was du wolltest. Aufgrund der Nierencharakteristik werden unerwünschte Nebengeräusch auf der von dir abgewandten Seite möglichst nicht mit aufgenommen. Das gilt natürlich nur in Maßen. Wenn die Mutter brüllt, das Essen sei fertig. Kriegt das Mikro vermutlich auch Hunger.

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Deutliche Preis- und auch Qualitätsunterschiede

Tatsächlich aber gibt es bei diesen Mikrofonen extreme Preis- und auch Qualitätsunterschiede. Gerade bei Kondensatormikrofonen muss man sich immer vor Augen halten, dass diese oftmals hochempfindlichen Teile für jeweils spezielle Nutzungen konzipiert sind. Ein hochempfindliches Neumann KM 184 hört das Gras wachsen und somit auch sämtlich Frequenzen deiner Gitarre. Ein Rode NT 5 ist da schon etwas zurückhaltender, also auch preisgünstiger. Es hat aber einfach keinen Sinn, mit der Aufnahme deiner Songs zu warten, bis du dir extrem kostspieliges Equipment leisten kannst. Bis dahin könnten deine Ideen schon in der Vergessenheit verschwunden sein. Das wäre doch schade. Wahrscheinlich. Wichtiger ist, dass du jetzt die Akustikgitarre aufnehmen wirst.

Mikrofonplatzierung hat entscheidenden Einfluss auf den Klang

Als handelsüblicher Grobmotoriker würde man bei der Positionierung des Mikrofons vermutlich nicht lange fackeln. Wo soll es schon hin; vermutlich doch dort, wo der Schall des Instrumentes gebündelt rauskommt. Eben nicht. Unmittelbar am bzw. vor dem Schallloch ist der Klang der Gitarre ziemlich bassbetont, die Obertöne und somit höheren Frequenzen werden hier gewissermaßen verdrängt oder zumindest übertönt. Die dabei entstehende Problematik, wenn du Akustikgitarre aufnehmen willst: ist der aufgenommen Gesamtklang zu bassbetont, wirst du das schwammige Resultat in der Nachbearbeitung kaum zufriedenstellend korrigieren können.

Nur eine Positionierungsmöglichkeit, aber eine beliebte | Foto: Shutterstock von Wanwalit Tongted

Wo der komplexe frequenzreiche Klang der Gitarre herkommt

Was bei einer nicht abgenommenen Akustikgitarre an unser Ohr gelangt, ist die Addition unterschiedlichster schallabstrahlender Bereiche. So wird der Schall eben nicht nur über das Schallloch abgestrahlt, stattdessen über nahezu sämtliche Bauteile, in deren Mittelpunkt der komplette Korpus steht. Der Schall kommt über die Decke, die Zargen, den Rücken, auch über den Hals, die Saiten und sogar den Kopf. Halt einfach mal ein Ohr an den Kopf der Gitarre. (Nicht an deinen Kopf, da ist das Ohr schon angewachsen.) Nur spielst du ein paar Töne. Und schon wird dir bewusst, dass die Schwingungen auch hier noch zu hören sind. Okay, was bedeutet das für die Positionierung des Mikrofons. Also zunächst mal bedeutet das, dass wir idealerweise nicht von einem Mikrofon, sondern von zweien reden.

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Zwei Kameraden, die das Instrument von vorne und seitlich aufnehmen

Nun richtest du das erste Mikro, sinnvollerweise ein Kleinmembran-Kondensatormikrofon, leicht abgeschrägt auf den Hals, und zwar etwa in Höhe des zwölften Bundes. Diese Variante wird gerne genutzt, wenn der Klang sehr höhenbetont sein soll. Wissen muss man, dass diese Ausführung keineswegs in Stein gemeißelt ist. Je näher du mit dem Mikrofon in Richtung Schallloch wanderst, umso deutlicher werden die Höhen abnehmen und die Mitten und Bässe wieder das Kommando übernehmen. Das könntest du auch ins Extrem steigern. Stell dir vor, du richtest das Mikro auf die Kopfplatte. Es wären nur noch Höhen zu hören. Nix mehr mit Bass und Mitten. Das wäre das Gegenteil der Zielsetzung, wenn du Akustikgitarre aufnehmen willst.

Zweites Mikrofon an akustisch konträrer Stelle positionieren

Zumal wir jetzt begriffen haben, dass der Gitarrenklang eine Synergie unterschiedlicher Bereiche ist, kommt nun auch der nächste Schritt. Es wird ein weiteres Mikrofon an einer gewissermaßen konträren Position platziert. Vernünftige Ergebnisse erzielst du mit einem Mikro, das auf den hinteren Bereich der Gitarrendecke ausgerichtet wird. Wenn du die beiden Spuren nun vorsichtig und filigran beim Mixdown zusammenmischt, sollte das Instrument mit seiner geballten Natürlichkeit überzeugen.

Am sinnvollsten ist die mehrfache Abnahme | Foto: Shutterstock von luckyraccoon

Rahmenbedingungen zu unterschiedlich für pauschalisierte Tipps

Tatsächlich können dies nur Tipps dafür sein, selbstständig auf der Suche nach dem bestmöglichen Sound auszuprobieren. Es gibt nur allgemeine Empfehlungen. Und auch versierte Tontechniker sind sich über die bestmöglich Mikrofonierung keinesfalls einig. Fragst du zwanzig Tontechniker nach ihrer Meinung, wirst du ebenso viele unterschiedliche Antworten bekommen. So wird das Hauptmikrofon gerne auf den unteren Teil des Korpus nahe der Zarge gerichtet. Andere nutzen unterschiedliche Abstände, was wiederum nur bei entsprechenden Räumlichkeiten im Heimstudio oder besser nach dem professionellen Tonstudio möglich ist. Es gibt derart viele Variablen, wenn du Akustikgitarre aufnehmen willst, bei denen ein Zahnrad ins andere bzw. eine Frequenz in die nächsten greift.

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Aufnehmen der Gitarre schwierig aufgrund der multiplen Abstrahlung

Die akustische Gitarre gehört zu den beliebtesten Instrumenten bei gestandenen Musikern als auch bei Einsteigern. Auch deshalb, weil man schnell motivierende Lernerfolge hat und der Einstieg nicht allzu komplex ist. Bei der Aufnahme von Instrumenten zeichnet die Akustikklampfe ein vollkommen anderes Bild. Allein schon aus dem Grund, weil es sich eben nicht um ein digitales oder sonst wie elektrifiziertes Instrument handelt. Das multiple Abstrahlverhalten ist die Aufforderung schlechthin mit mehreren Abnahmestationen zu arbeiten. Daraus kann aber auch ein Problem resultieren:

Auf unterschiedliche Zeiten der Spuren achten

Wenn mit zwei Mikrofonen das Signal der akustischen Gitarre an unterschiedlichen Positionen abgegriffen wird, können und werden in den meisten Fällen ganz leicht zeitverzögerte Spuren entstehen. Im schlimmsten Fall löschen die Spuren sich gegenseitig aus. Das aber ist eher nicht deine Herausforderung. Vielmehr wirst du diese vermutlich nur unterbewusst und eben visuell sichtbare Zeitverzögerung in der DAW wieder ausmerzen und die Spuren filigran übereinanderlegen müssen. Der Time-Code und die Copy & Paste Funktion lassen grüßen.

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