Im Zuge des Pandemiegeschehens mitsamt den Kontaktbeschränkungen haben viele sich ein Heimstudio eingerichtet oder das vorhandene mit zusätzlichem Equipment aufgestockt. Immerhin eine Möglichkeit, weiterhin kreativ zu bleiben. Auch du möchtest Musik selbst produzieren, gute Idee. Hier einige Stolperfallen, die du umgehen solltest:
Check it: Selbst Musik produzieren
- Musikalisch und menschlich nicht verbiegen
- Kreativität richtig verstehen
- Song- und Track-Potenzial auf den Punkt bringen
- Zeitmanagement optimal ausrichten
- Sinnvoll eindecken, aber keine Frustkäufe
Nutzlose Hürden überspringen, wenn du Musik selbst produzieren willst
Du möchtest Musik selbst produzieren und dazu gehören für dich sämtliche Facetten vom Komponieren, Texten, Songs mit der Band auszuarbeiten, die aufnehmen, ins Netz stellen, was auch immer. Vielleicht gelingt der große Wurf; wenn nicht, sei’s drum. Natürlich wäre es super, wenn deine musikalischen Ideen mit Verkaufs- oder viralen Klickzahlen durch die Decke gehen. Allerdings ist das nicht dein unbedingtes Ziel. Damit deine Freude an der Musikproduktion nicht getrübt wird, haben wir eine Liste von klassischen Stolperfallen zusammengetragen, von denen du dich lieber verabschieden solltest.
1. Verbieg‘ dich nicht mit Musik, die dich nicht berührt
Du müsstest schon absolut routiniert – gerade abgebrüht – sein, wenn du Musik selbst produzieren willst, die du nicht leiden kannst. Dir fehlt der Bezug dazu. Wie solltest du deine Inspirationen einbringen, falls du keine hast? Derartige Versuche werden nicht selten unternommen, um vielleicht mit einem kommerziell erfolgreichen Genre den Sprung zu den gehypten Profis zu schaffen. Wenn du EDM-Fan bist, wirst du kaum Erfolg und noch weniger Spaß mit Ballermann-Mucke haben.
Gehörst du zu den Metal Maniacs, ist es zwecklos Schlager oder Volksmusik zu produzieren. Selbst wenn du einen Achtungserfolg hinbekommen solltest, war es die Zeit und Nerven wert? Dein Vorteil: Wenn du als Einsteiger Musik selbst produzieren möchtest, ist das zunächst dein Hobby. Im Gegensatz zu schlecht gebuchten Studios bist du auf die musikalische Kehrtwende auf Kosten deiner Laune nicht angewiesen. Die professionellen Kameraden können sich solche Befindlichkeiten nicht leisten; zumindest nicht, bevor der Laden läuft.
2. Nicht mit Menschen arbeiten, wenn die Wellenlänge nicht stimmt
Im üblichen Arbeitsalltag wird auf der Karriereleiter gerne mal mit Ellbogen gearbeitet. Auch sonst trifft man immer wieder auf Menschen, mit denen man einfach nicht auf einen Nenner kommt. Wenn du mit anderen zusammen Musik selbst produzieren möchtest, ist die gemeinsame Wellenlänge allerdings eine der wichtigsten Voraussetzungen, um vernünftig und in angenehmer Atmosphäre weiterzukommen. Da kann – und muss – man auch mal unterschiedlicher Meinung sein und selbstverständlich dürfen auch mal die kontroversen Fetzen fliegen.
Grundsätzlich aber solltet ihr euch gut verstehen. Ihr seid keine Konkurrenten um das beste Ergebnis, stattdessen ein sich gegenseitig inspirierendes Team. Immerhin ist die Musikproduktion vom Songwriting über das Einspielen und Aufnehmen bis zum Mixdown per se ein kreativer Prozess; einer, bei dem man immer auch einen Teil seines Inneren preisgibt.
Dafür braucht man nicht nur Vertrauen in die Fähigkeiten des anderen. Vielmehr auch in die Verlässlichkeit, dass man für möglicherweise nicht funktionierende Ideen nicht bloßgestellt wird, allenfalls mit einer Portion freundschaftlichem Humor. Auch diesen Luxus, nur mit netten Menschen zu arbeiten, hast du, wenn du eigene Musik selbst produzieren möchtest und nicht auf Auftragsarbeiten für den Kontostand angewiesen bist.
3. Keine Ablenkungen, stattdessen wertschätzende Konzentration
Dringend wichtig ist die hochkonzentrierte Arbeit, wenn du im Home-Studio Musik selbst produzieren willst. Es ist nun mal das Prinzip von Musik, dass Rhythmen, Harmonien und Einzeltöne – auch bei langsamen Songs – in einer rasanten Geschwindigkeit ablaufen. Wenn du durch den Fernseher oder das ständig bimmelnde Smartphone abgelenkt bist, wirst du Ungenauigkeiten leicht überhören oder übersehen. Die Folge wäre, dass du den ganzen Senf zum wiederholten Mal durchgehen musst.
Dieser Aspekt ist aus einem weiteren Aspekt nicht unwichtig. Wollen wir Musik selbst produzieren, sollten wir dabei auch den Tracks – und somit uns selbst – die berechtigte Wertschätzung zukommen lassen. Mal ehrlich, wie fühlt man sich, wenn etwas einfach nebenher dahingeschlampt wird?
4. Nicht an verstaubten Selbstverständlichkeiten festklammern
Mag sein, du hast schon etliche Songs geschrieben und einige davon auch auf Festplatte gebannt. Bereits beim Schreiben des Songs hast du dich an den Songs deiner Helden orientiert. In Sachen Aufnahmetechnik hast du den Profis auf die Finger geschaut. Und dann hast du deine Kompositionen und anschließenden Einspielungen mitsamt der technischen Bearbeitung immer nach demselben Strickmuster aufgelegt. Nur gut, wenn man im Leben Vorbilder hat. Ebenso sinnvoll ist es, strukturiert vorzugehen. Aber was hast du neu geschaffen, wenn du permanent dem Vorgekauten folgst?
Kreativität bedeutet, etwas zu schaffen, was es bislang noch nicht gegeben hat. Das können für dich kleine Fragmente oder im Extremfall komplette Musikgenres sein. Zugegeben, das hört sich ziemlich hochtrabend an. Tatsächlich aber hätte es niemals einen neuen Musikstil oder eine spezielle Aufnahmetechnik gegeben, wenn nicht irgendwer aus den festgefahrenen Klischees ausgestiegen wäre.
Weitaus sinnvoller, als dem Strom hinterher zu hecheln und damit immer mindestens drei Schritte zu spät zu sein, ist es, selbst ein Vorreiter und Ideenlieferant zu sein. Wenn du Musik selbst produzieren kannst, die alles bisher Vorhandene auf den Kopf stellt, hast du es vermutlich geschafft. Oder du wirst in die nächste Shitstorm-Wüste gejagt.
5. Keine Zeit mit inspirationslosen Ideen vergeuden
Glücklicherweise bist du ein sozialer, empathischer und hilfsbereiter Zeitgenosse. Einer, der in seinen Menschen nicht die Fehler sucht und sie nicht nach Oberflächlichkeiten beurteilt. Das ist ein vorbildlicher und angenehmer Charakterzug. Soviel zur rein menschlichen Seite, bei der du unbedingt bleiben solltest. Wenn du allerdings Musik selbst produzieren möchtest, musst du ein Auswahlverfahren an den Tag legen, dass deinen Charaktereigenschaften widerspricht. Schon aus Zeitgründen kannst du nicht jede Song-Idee und jeden dahergelaufenen Track einspielen, aufnehmen und bis ins kleinste Detail bearbeiten.
Weitaus zielführender, motivierender und somit zufriedenstellender ist es, wenn du dir einen Haufen Songs schreibst, und dann ohne falsch verstandene Trauer selbstkritisch die meisten wieder in die Tonne kloppst. Nur die Lohnenswerten bleiben übrig. Und die haben deinen bevorstehenden Zeitaufwand verdient. Vorstellen kannst du dir diesen Vorgang wie beim Fotoshooting. Der Fotograf wird etliche Aufnahmen schießen, von denen anschließend nur eine geringe Auswahl über die Ziellinie kommt. Und erst bei denen lohnt es sich, sie final zu bearbeiten. Weil’s einfach von Anfang an die besten Kandidaten sind.
6. Irgendwann muss es auch mal gut sein
Etliche Musikproduzenten bezeichnen eine hinlängliche bekannte Stolperfalle als unbedingten Perfektionswillen. Klingt ja auch besser als mangelnde Entscheidungsfreudigkeit oder Selbstzweifel. Die Rede ist von der Unart, einfach nicht zum Ende zu kommen. Mastern, Rendern, Feierabend. Sicherlich müssen Tracks zuweilen wieder aufgemacht werden. Aufnahmen wollen und sollen mit zeitlichem Abstand nochmal abgehört werden. Aber irgendwann muss es auch mal gut sein.
Wenn ein Projekt derart oft wieder angefasst und in Nuancen nachjustiert wird, ist es zumindest naheliegend, dass es bereits von Anfang an nicht das erhoffte Potenzial hatte oder im Verlaufe der Produktion schlichtweg vermurkst worden ist. Das willst du dir allerdings nicht eingestehen, verbissen arbeitest du am – inzwischen – Unmöglichen.
Die dabei eintretende Problematik: Tatsächlich kommst du keinen Schritt weiter. Der zu überarbeitende Track blockiert deinen Kopf und damit auch deine Zeit. Wenn du Neues schaffen möchtest, musst du Altes zunächst loslassen. Der Hamsterkäfig darf nicht ewig laufen, sonst machst du dich selbst irre.
7. Faktische Fehler nicht mit Endlosbearbeitung verwechseln
Keineswegs soll das bedeuten, dass du dich mit fehlerbehafteten Resultaten zufriedengeben sollst. Offensichtliche Fehler müssen eliminiert werden. Und sei es nur ein einziger. Solche Macken würden dich rasend wütend machen, wenn du sie in der fertigen Produktion hörst. „Augen auf und durch“ ist in diesem Zusammenhang die falsche Taktik. Diese Bereinigung von Fehlern ist zeitlich begrenzt und hat mit dem nicht enden wollenden Perfektionswillen nichts zu tun. Es geht einfach darum, am Schluss eine saubere Produktion in Händen bzw. auf der Festplatte zu halten.
Zugegeben, manchmal ist man einfach müde und erschöpft, man hat den eigenen Track derart häufig durch die Monitore oder die Kopfhörer geschickt, dass man ihn im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr hören kann. Langsam schwindet die Motivation. Die Lösung kann nur lauten, abzuschalten und die Überarbeitung am nächsten Tag neu zu beginnen. Denn exakt diese Zeit ist keine Verschwendung. Die solltest du dir dringend nehmen, auch wenn du glauben möchtest, dass andere die Fehler nicht hören. Jede Wette, Profis hören ganz genau, welche Mühe du dir gegeben hast.
8. Frustkäufe bringen dich herzlich wenig weiter
Schon klar, wenn man nicht Schlittschuh laufen kann, sind die Schuhe schuld. Wenn man nicht klettern kann, ist der Berg oder Baum schuld. Und wenn du Musik selbst produzieren möchtest, aber alles noch unausgegoren klingt, kann das nur am Equipment liegen. Leider falsch gedacht. Selbstverständlich benötigst du eine einigermaßen vernünftige Ausstattung. Die sollte aber nicht der selbstentschuldigende Ansatz dafür sein, dass dir die Ideen oder das Know-how fehlen. Sinnvolles Equipment vom Mikro über die DAW bis zu den Instrumenten brauchst du, aber du solltest keinen Frustkauf machen.
Tatsache ist, dass zunächst der Song zünden muss, wenn du Musik selbst produzieren willst. Hat er entsprechendes Potenzial, kannst du ihn notfalls auch mit der zerkratzten Wandergitarre einspielen oder als Lo-Fi-Musik einspielen. Spricht er die Sinne nicht bereits in der Rohfassung an, nützt auch das teuerste Equipment herzlich wenig. Besser ist, du hast die notwendige Ausstattung zu Beginn des Projektes zusammen, damit du konsistent und aufgeräumt arbeiten kannst. Deck‘ dich gerne ein, aber mache das mit zielgerichteter Freude und nicht aus Frust.
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